Telefonseelsorge kümmert sich um Menschen in Krisen

Sich Fremden anvertrauen

Es wird dunkler draußen, der Winterblues naht. Doch wie gehen Menschen mit Kummer in solchen Zeiten damit um? Die Leiterin der katholischen Telefonseelsorge in Köln Annelie Bracke erklärt im domradio.de-Interview, welche Erfahrungen sie gemacht hat.

Telefonseelsorge / © Uli Deck (dpa)
Telefonseelsorge / © Uli Deck ( dpa )

domradio.de: Ist es so, dass jetzt in der dunklen Jahreszeit die Anrufer mehr werden?

Annelie Bracke (Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln): Wir haben viele Anrufe. Aber die hatten wir das ganze Jahr und auch die vergangenen Jahre schon. Also wir sind immer belegt. Natürlich kennt man das, dass man in der dunklen Jahreszeit ein bisschen nachdenklicher wird oder nochmal Erinnerungen aufkommen. Aber Menschen, denen es so richtig schlecht geht, die sich depressiv fühlen und die verzweifelt sind, die erleben das genauso bei gutem Wetter. Wir haben sogar manchmal den Eindruck: Wenn es draußen sehr schön ist, der Frühling ist da und alle Welt blüht auf, dann merken die Leute, denen es nicht besser geht, den Kontrast noch stärker.

domradio.de: Blicken wir in Ihre Gesprächswelt am Telefon. Wie schwerwiegend muss ein Thema sein, dass man eine fremde Person per Telefon kontaktiert, um sie damit zu konfrontieren?

Bracke: Das hängt auch immer von den Lebensumständen ab. Wenn man Freunde und Familie hat, dann wendet man sich an bestimmten Punkten an diese Vertrauten. Wir haben einige Anrufer, die haben aber diese engen Beziehungen nicht mehr. Sei es, dass Menschen verstorben oder gegangen sind. Vielen fallen aber diese nahen Beziehungen auch schwer. Sie rufen uns dann auch in alltäglichen Situationen an. Es gibt nämlich auch Dinge, die wollen sie nicht mit ihren Vertrauten besprechen. Sondern sie wollen mit einem fremden Blick darauf schauen, weil sie sich selber im Kopf nochmal sortieren möchten.

domradio.de: Am Telefon sitzen bei Ihnen Ehrenamtler, die sich dieser Aufgabe stellen - eine schwere Aufgabe, die richtigen Worte zu finden, den richtigen Rat zu geben - und dann noch die Schicksale der Anrufer nicht mit "nach Hause" zu nehmen.  Finden sich dafür genug Mitarbeiter?

Bracke: Doch, wir haben jedes Jahr wieder eine Ausbildungsgruppe. Wir starten immer nach den Sommerferien mit zehn bis zwölf Teilnehmern und die haben wir bisher jedes Jahr gefunden. Nichtsdestotrotz suchen wir jetzt auch wieder ehrenamtliche Mitarbeiter, die von uns gut ausgesucht werden. Wir können nicht jeden nehmen. Wir prüfen die Eignung und möchten, dass sie sich bewerben und dann mit uns zusammen schauen, ob das was für sie ist. Insofern kann man sich Infomaterial zuschicken lassen oder man führt ein unverbindliches Informationsgespräch.

Dann gibt es verschiedene Schritte, sich dem zu nähern. Manche haben nämlich Interesse und sind vielleicht auch begabt dazu, denken aber: "Das ist so schwer, ob ich mir das zumuten kann?" Da kann ich aber nur ermutigen. Natürlich gibt es Menschen, die sich nicht so gut abgrenzen können, oder die im Privatleben genug Stress haben. Dann passt es vielleicht nicht. Ansonsten wird man aber gut darauf vorbereitet. Viele Mitarbeiter geben uns auch die Rückmeldung, dass sie selber davon profitieren. Durch den Austausch in der Ausbildungsgruppe lernen sie viel dazu, was ihnen auch privat und beruflich weiterhilft.

Das Gespräch führte Daniel Hauser.


Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln / © Bracke (KNA)
Leiterin der Katholischen Telefonseelsorge Köln / © Bracke ( KNA )
Quelle:
DR