Der Papst betete für all jene, die von den selbsternannten Gotteskriegern während ihrer blutigen Herrschaft im Nordirak ermordet, versklavt und vertrieben wurden. Im christlich geprägten Karakosch ermutigte er die christliche Minderheit im Irak, dem Land nicht den Rücken zu kehren und ihr geistliches Erbe zu bewahren.
Der Papst war am Morgen in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, von Präsident Nechirvan Barsani und Regierungschef Masrur Barsani begrüßt worden. Anschließend flog er per Hubschrauber weiter nach Mossul, wo der IS 2014 ein "Kalifat" ausgerufen hatte. 2016 wurde die Stadt unter großen Zerstörungen befreit. Die Terrormiliz gilt im Irak seit 2017 als militärisch besiegt.
Auf dem Platz Hosh al-Bieaa, Schauplatz der Zerstörung mehrerer christlicher Kirchen, berichteten Zeitzeugen über Verfolgung und Vertreibung während der Herrschaft der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Der Papst zeigte sich bestürzt angesichts der "grauenvollen Erfahrungen". Ein "unermesslicher Schaden" sei angerichtet worden. Moslems, Christen, Jesiden - alle zählten zu den Opfern. "Heute bekräftigen wir nichtsdestotrotz erneut unsere Überzeugung, dass die Geschwisterlichkeit stärker ist als der Brudermord", so Franziskus.
Besonderes Gedenkgebet
Im Anschluss sprach der 84-Jährige ein eigens für diesen Anlass verfasstes Gedenkgebet. Anklagende Worte gegen bestimmte Tätergruppen verwandte er nicht. Stattdessen betonte er mehrfach die Unzulässigkeit von Gewalt und Hass im Namen der Religion: "Wenn Gott der Gott des Lebens ist - und das ist er -, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten." Der Papst erbat "für uns alle, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können".
Bei der Fahrt durch das überwiegend christliche Karakosch jubelten Tausende Menschen dem stark gesicherten Konvoi des katholischen Kirchenoberhaupts zu. Die Ankunft verzögerte sich wegen des Gedränges deutlich - auch weil Franziskus zwischendurch anhalten ließ, um Gläubige persönlich zu grüßen.
In Karakosch waren im Sommer 2014 Zehntausende vor allem syrisch-katholische Einwohner vor den Eroberungszügen des IS geflohen. Viele kehrten nach der Befreiung 2016 wieder zurück. Allerdings setzte zuletzt wegen fehlender Perspektiven erneut eine Abwanderung ein. Die Kirche der Unbefleckten Empfängnis ist das größte christliche Gotteshaus des Irak. Es wurde von den Islamisten verwüstet, ist aber inzwischen weitgehend wiederhergestellt.
Am Eingang der Kirche wurde der Papst vom Patriarchen der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien begrüßt. Ignatius Youssef III. Younan dankte für den "historischen Besuch, der uns über unsere Qualen hinwegtröstet, uns ermutigt, in unserem Land verwurzelt zu bleiben".
Appell zum Neubeginn
"Unser Treffen hier zeigt, dass der Terrorismus und der Tod niemals das letzte Wort haben", sagte Franziskus bei seiner Ansprache in dem Gotteshaus. "Eure Anwesenheit hier macht deutlich, dass die Schönheit nicht einfarbig ist, sondern in der Vielfalt und in den Unterschieden aufleuchtet", so der Papst an die Christen Karakoschs. Mehrere Gemeindemitglieder berichteten ihm von den Gräueln des Krieges. Er sehe mit Traurigkeit die Zeichen der zerstörerischen Kraft von Gewalt und Hass, sagte er.
"Jetzt ist die Zeit, aufzubauen und wieder neu zu beginnen", so sein Appell. Es brauche die Fähigkeit zu vergeben und zugleich den Mut zu kämpfen. Das sei schwer, aber Gott könne den Frieden bringen: "Wir vertrauen auf ihn, und gemeinsam mit allen Menschen guten Willens sagen wir Nein zum Terrorismus und zur Instrumentalisierung der Religion."
Am Sonntagnachmittag wird Franziskus zu einer Messe mit bis zu 10.000 Gläubigen im Stadion von Erbil erwartet. Der Gottesdienst markiert den Höhepunkt seiner viertägigen Irak-Visite, die am Freitag begann.