Manche haben die Fähigkeit, in Extremsituationen Dinge zu tun, die niemand von ihnen erwartet. David Bergeron ist so einer. Der Pater der "Companions of the Cross Order" war am Wochenende zu Besuch bei Freunden, um den Boxkampf zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor zu verfolgen. Überrascht von den massiven Überflutungen, schaffte er es mit seinem Truck nicht zurück.
Nach einer Nacht im Auto kletterte er am frühen Sonntagmorgen in ein Kajak und paddelte durch die überfluteten Straßen im Südosten von Houston seiner Gemeinde entgegen, um mit ihr die heilige Messe zu feiern. Unterwegs machte er in einem Alkohol-Laden halt. Doch wegen der strengen Gesetze durfte ihm der Besitzer keinen Messwein verkaufen.
"Und der Herr lebt und der Herr ist mit uns."
Aus der Messe mit den Gestrandeten wurde nichts. Dafür betete Bergeron mit einer Gruppe Latinos für das Ende des Regens. Es dauerte nicht lange, bis Reporter herausfanden, wer der Mann mit der roten Schirmmütze und dem Bart im Kajak war. "Ich glaube, wir haben es überlebt", sagte der junge Pater. "Und der Herr lebt und der Herr ist mit uns." Er hoffe, dass er seinen Gemeindemitgliedern "mindestens ein Lächeln bringen konnte".
Geschichten wie diese werden nur in Notsituationen geschrieben, die kleine und große Helden gebären. Menschen, die anderen Halt und Orientierung geben - inmitten von Angst und Chaos. Oder Courage zeigen. Wie Eric Robinson, der sich von dem Jahrhundert-Hochwasser nicht davon abhalten ließ, zur Messe in der "St. Simon and Jude Church" gehen. Der 29-jährige watete dafür drei Meilen zu Fuß durch die Fluten. Hin und zurück.
Bewährungsprobe für die Gläubigen
Hurrikan "Harvey" ist spirituell und praktisch eine Bewährungsprobe für die Gläubigen, Kirchen und deren Hilfsorganisationen. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, der auch der Diözese Houston-Galveston vorsteht, bezeichnete die Auswirkungen der größten Flutkatastrophe in der Geschichte von Texas als "kosmisch". Die Überschwemmungen seien nicht hier oder da, sie seien überall. "Ich muss sagen, obwohl die Menschen von Houston schon ziemlich belastbar sind," so DiNardo: "Das hier geht schon an die Grenzen."
Die katholische Kirche organisiert landesweit Hilfe. Der Erzbischof von Los Angeles, Jose H. Gomez, rief alle Bischöfe zu einer Sonderkollekte auf. In den Messen am 2., 3. und 9. September soll Geld für die Zehntausenden gesammelt werden, die nahezu alles verloren haben. Dabei sind noch gar nicht alle Folgen der Naturgewalten absehbar. Wie viele Menschen in den Fluten umgekommen sind, so Rettungsdienste, werde sich erst nach Schwinden des Wassers zeigen.
Die Schönen, Reichen und Berühmten helfen vor Ort
Die Heimsuchung der Großregion Houston durch Sturm und Wasser mobilisiert neben unzähligen Freiwilligen vor Ort auch die Schönen, Reichen und Berühmten. Oscar-Preisträgerin Sandra Bullock etwa versprach, eine Million Dollar zu spenden. Der Eigentümer des heimischen Basketball-Teams der Houston Rockets, Leslie Alexander, stellt gleich zehn Millionen Dollar zur Verfügung. Sogar Präsident Donald Trump will eine Million Dollar aus seinem Privatvermögen für die Opfer von "Harvey" locker machen.
Ausgerechnet den berühmtesten Prediger Houstons, Joel Osteen, verließen in dem vielleicht entscheidendsten Moment seiner Mission alle Instinkte: Der Pfarrer der Lakewood-Megachurch, die Platz für 17.000 Menschen bietet, hielt die Türen zu seiner Kirche für die Flutopfer tagelang geschlossen. Nach einem Sturm der Entrüstung in den Sozialen Netzwerken überlegte es sich der steinreiche Prediger anders und öffnete die Kirchenpforten für Zufluchtsuchende. Erst behaupteten Sprecher der Megachurch, das Hochwasser habe das Gebäude gefährdet. Dann rechtfertigte sich Osteen damit, niemand von der Stadt Houston habe ihn "darum gebeten", eine Notunterkunft zu eröffnen.
"Wenn die Zeit kommt, sind wir alle eine Familie."
Diese Frage brauchte den Gemeinden der vier Moscheen niemand zu stellen, die in Houston Schutzräume und Versorgung anbieten. "Das ist es, was wir als wahre Amerikaner tun", sagte der Vizepräsident der Islamischen Gesellschaft, Mohammad Amin Moola. "Wenn die Zeit kommt, sind wir alle eine Familie."