Der Name Rana Plaza hat sich in die Köpfe eingebrannt. Vor vier Jahren stürzte die Textilfabrik nahe Bangladeschs Hauptstadt Dhaka wie ein Kartenhaus in sich zusammen und begrub mehr als 1.100 Menschen unter sich. Der internationale Aufschrei war groß. Bekannte deutsche Textilunternehmen, darunter KiK, NKD oder Adler Modemärkte, ließen laut Nichtregierungsorganisationen in der Fabrik fertigen.
Vier Jahre später ist vielen deutschen Unternehmen offenbar bewusst, dass mehr und mehr Verbraucher keine "schmutzige Kleidung" wollen, weder aus Bangladesch, noch aus Indien oder Pakistan. Dennoch läuft die Einführung fairer und ökologischer Standards oft schleppend. Auch reizen neue Länder wie Äthiopien mit besseren und zugleich billigeren Produktionsbedingungen.
Deutschland habe großes Interesse an guten Produktionsbedingungen
Für Sarkar Suchi Banjerjee ist in der indischen Textilbranche Einiges passiert. Es gebe Mitarbeitervertretungen für die Näherinnen, die Zahl der Produktionsstätten, die fair und ökologisch produzierten, sei deutlich gestiegen, erzählt die junge Frau, die für die indische Nichtregierungsorganisation Kamalini arbeitet. Seien es vor zehn Jahren etwa acht gewesen, liege die Zahl der fair produzierenden Betriebe nun bei 38. Vor allem Deutschland habe großes Interesse an guten Produktionsbedingungen, sagt Banjerjee.
38 Fabriken sind ein Anfang, aber angesichts der Tatsache, dass in Indien 90 Prozent der Beschäftigung inoffiziell abläuft, ist die Zahl überschaubar. Mehr als 33 Millionen Inder arbeiteten laut Kamalini bereits 2006 im Textilsektor, bis 2022 könnten es mehr als 60 Millionen sein. Für viele Betreiber sei die bürokratische Papierarbeit, die eine Zertifizierung als ökologische und faire Produktionsstätte beinhalte, zu teuer und zu umständlich, räumt Banjerjee ein.
"Der Mindestlohn reicht nicht"
Und für die Mitarbeiter sei der Mindestlohn ein Anfang, aber nicht genug. "Der Mindestlohn reicht nicht", sagt Banjerjee. Laut Internationaler Arbeitsorganisation lag er mit Stand Ende 2013 umgerechnet bei 62 Euro brutto - im Monat. Während in Indien und Bangladesch mit der Umsetzung von Standards gerungen wird, sprießen in Afrika neue Textilproduktionsstätten aus dem Boden - mit Investitionen aus Indien, China oder Bangladesch.
Die Textilfabrik JayJay im Umland von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba beschäftigt bereits rund 1.800 Näherinnen. Für Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist diese Fabrik, die ein indischer Investor aufgebaut hat und in der auch der Modekonzern H&M fertigen lässt, ein Beispiel, wie es besser laufen kann. Es gibt Sicherheitsstandards, eine Mittagspause samt Mittagessen in der Mensa, Urlaub und die Möglichkeit für Frauen, nach der Geburt drei Monate zu pausieren. Und doch, es bleibt Fließbandarbeit. An sechs Tagen die Woche, 8 Stunden am Tag stehen die jungen Frauen an den großen Nähtischen.
50 Euro im Monat
Jede ist für einen Schritt zuständig und diesen führt sie unzählige Male aus. Der Verdienst liegt nach Angaben der Näherinnen bei etwa 50 Euro im Monat. Für Yenewark Tesfa zu wenig zum Leben. Es gebe keine Aufstiegsmöglichkeiten, sagt die 22-jährige Näherin. Wenn sie wählen könnte, würde sie gerne selbstständig arbeiten und ein Geschäft aufmachen.
Äthiopien ist ein neues Zielland für die Textilproduktion. Nicht vorbelastet wie Bangladesch nach dem Fabrikeinsturz und mit vielen jungen Menschen, die Arbeit suchen. Zudem sind die Zollbestimmungen für das ostafrikanische Entwicklungsland günstig. Die äthiopische Kommission für Investitionen wirbt damit, dass der Marktzugang zu den USA und der EU zollfrei sei und es zu Ländern wie Kanada oder China gesonderte Bestimmungen gebe. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung sind etwa für Indien die Zollbestimmungen straffer geworden.
3 Millionen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen
Für Bangladesch ist Afrika darüber hinaus als Baumwolllieferant interessant. "Passend und kosteneffizient", heißt es aus dem bangladeschischen Finanzministerium. In ihrer Werbebroschüre schreibt die äthiopischen Kommission, dass rund 270.000 Hektar Land für Baumwoll-Plantagen zur Verfügung stünden: In der Somali-Region, die reich sei an Grundwasser. Was die Broschüre nicht ausführt ist, dass in diesem Landteil von etwa 5,4 Millionen Einwohnern aktuell 3 Millionen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen sind - mangels Zugang zu Wasser.