Theologe fordert Erneuerung der christlichen Sexualmoral

Umdenken in der Kirche

Seit dem Missbrauchsskandal ist die Kirche als moralische Instanz angeschlagen. Gehorsam kann sie nicht mehr einfordern. Der Theologe Daniel Bogner erklärt, was Bibel und Christentum dennoch noch zu sagen haben.

Symbolbild Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Jose Luis Carrascosa (shutterstock)
Symbolbild Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Jose Luis Carrascosa ( shutterstock )

Der katholische Moraltheologe Daniel Bogner fordert eine Erneuerung der christlichen Sexualmoral und ein grundlegendes Umdenken der katholischen Kirche.

Der Moraltheologe Daniel Bogner am 13. Juni 2019. / © Privat (KNA)
Der Moraltheologe Daniel Bogner am 13. Juni 2019. / © Privat ( KNA )

"Was jedenfalls nicht mehr geht, ist das simple Gefolgschaftsmodell der Moral: Eine moralische Institution, etwa die Kirche, sagt etwas und die Menschen nehmen es an", sagte der an der Universität Fribourg in der Schweiz lehrende Theologe der "Welt" (Montag).

Ein Glaube im reinen Gehorsamsmodus entspreche nicht dem, was die christliche Botschaft als Anspruch in sich trage: "Der Mensch ist ein zu Verantwortung und zu Selbstbestimmung fähiges Geschöpf. Wenn man das ernst nimmt, wird die Sache mit der Moral schwieriger."

Bogner sagte, die Kirche sei oft als moralistische Lehrmeisterin aufgetreten und habe den Menschen in besserwisserischer Manier ihre Selbstverantwortung geraubt. Dennoch gebe es in einer immer pluraler werdenden Gesellschaft großen Bedarf an ethischer und moralischer Orientierung. Glaube könne eine der Quellen für moralische Orientierungssuche sein.

"Ich erlebe oft, dass kritisch-reflektierte Menschen, die religiös offen sind, zu Recht von dem enttäuscht werden, was ihnen von den verfassten Religionsgemeinschaften angeboten wird."

Keine monolithische Sexualmoral

Mit Blick auf die Sexualmoral sagte der Theologe, dass "die von außen manchmal als monolithisch wahrgenommenen Positionen des Christentums nicht so versteinert sind, wie sie einigen erscheinen". Die Bibel enthalte keine fertige Lehre für das 21. Jahrhundert, sondern sei selbst durch bestimmte kulturelle Zusammenhänge geprägt. "Es sind Texte, die von Menschen zu allen Zeiten der Christentumsgeschichte immer wieder neu gelesen und ausgelegt worden sind."

Homosexuelles Paar in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Homosexuelles Paar in einer Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

Bogner spricht sich für die Öffnung des Ehesakraments für gleichgeschlechtliche Paare aus. "Es gibt einfach kein biblisch begründbares Verdikt gegen Homosexualität. Sehr wohl aber eine biblische Verpflichtung dazu, füreinander Verantwortung zu übernehmen und füreinander Sorge zu tragen."

Die Verurteilung von Homosexualität in manchen Passagen der Bibel sei nicht "in der Sache" begründet, sondern habe ihren Grund "in der Sorge um Stabilität und Fortbestand der sozialen Gruppe, also Fragen, die wir heute ganz anders beantworten würden".

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )
Quelle:
KNA