Im Fall der völkerrechtswidrig angegriffenen Ukraine lasse sich gut begründen, "dass es hier eine Pflicht zur Nothilfe gibt, sofern sie den Rahmen der Verhältnismäßigkeit einhält", sagte der evangelische Theologieprofessor von der Universität der Bundeswehr in München am Donnerstag in Berlin. "Die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine fallen klar unter diese Pflicht", ergänzte er.
Lohmann verwies auf das von ihm mitverfasste Papier "Maß des Möglichen", das sich, initiiert von der evangelischen Militärseelsorge, mit der Friedensethik beschäftigt. Darin setze man sich kritisch auseinander mit den "fast schon zu einem Mantra gewordenen Beschwörungen evangelischer Friedensethik, man werde bei jedweder Reaktion auf die russische Invasion schuldig und befinde sich in einem unauflöslichen Dilemma". "Die Rede von einem moralischen Dilemma setzt voraus, dass es bei zwei Handlungsalternativen keine gibt, die ethisch für gut geheißen werden kann", sagte er. Bei der Frage nach Unterstützung der Ukraine sieht Lohmann dies nach eigenen Worten nicht. Ein Dilemma erkennt er aber bei der Frage nach nuklearer Abschreckung.
Selbstverteidigung für Ukraine entscheidend
Die evangelische Militärseelsorge hatte im Februar ein mehr als 60-seitiges Papier zur Friedensethik unter dem Titel "Maß des Möglichen" veröffentlicht. Darin plädiert sie für eine Friedensethik, "die an den sicherheitspolitischen und soldatischen Herausforderungen nicht vorbeigeht". Die Autoren - Theologen - betonen, dass es kirchlicher Kernauftrag sei, das Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass bewaffnete Gewalt äußerster Notfall und Ausnahmezustand sei. Gleichzeitig bezeichnet es als "entscheidend", für das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung und die Anerkennung der Pflicht zur Nothilfe einzutreten.
Evangelische Kirche debattiert über friedensethische Positionen
Innerhalb der evangelischen Kirche gibt es seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine rege Debatte über friedensethische Positionen. Die Mehrzahl von Verantwortungsträgerinnen und -trägern rechtfertigt die militärische Unterstützung des angegriffenen Landes.
Einzelne prominente Gesichter wie der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, und die frühere Ratsvorsitzende Margot Käßmann lehnen mit Verweis auf die Bibel Waffenlieferungen ab.