Theologe Lütz fordert kirchliche Zurückhaltung bezüglich Sexualität

"Einfach den Mund halten"

Zehn Jahre Bußschweigen zu allen sexuellen Fragen. Das empfiehlt der Autor und Theologe Manfred Lütz der katholischen Kirche. Außerdem verrät er, was er für das stärkste Glaubensbekenntnis der Kunstgeschichte hält. 

Die Bibel mit einem Kreuz  / © Black Salmon (shutterstock)
Die Bibel mit einem Kreuz / © Black Salmon ( shutterstock )

Der Autor, Psychiater und Theologe Manfred Lütz rät den Kirchen zur Konzentration auf ihren Kern. Sie sollten die wesentlichen Fragen in den Fokus nehmen, sagte Lütz der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). 

Dr. Manfred Lütz (dpa)
Dr. Manfred Lütz / ( dpa )

"Zum Beispiel, ob Gott existiert und ob es das ewige Leben gibt. Darüber wird in der Kirche kaum noch geredet. Da geht es eher um moralische Fragen. Doch das stand nie im Mittelpunkt des christlichen Glaubens." 

Lütz ergänzte: "Ich habe der katholischen Kirche ein mindestens zehnjähriges Bußschweigen zu allen sexuellen Fragen vorgeschlagen. Man sollte zu diesen Themen einfach den Mund halten."  

Es gebe einen Zusammenhang von Kunst und Religion, sagte Lütz weiter. Den Sinn des Lebens könne man tatsächlich sehen, und zwar in großer Kunst. 

"Die mittelalterlichen Menschen haben den Sinn des Lebens nur gesehen, denn sie konnten zumeist nicht lesen und schreiben. Aber in den Bildern ihrer Kirchen sahen sie, was sie glaubten." 

Auf die Frage, ob es die Gefahr gebe, dass Kunst zum Religionsersatz werde, antwortete Lütz: "Klar, aber wenn sich jemand nicht bloß bildungsbürgerlich betulich mit Kunst beschäftigt, sondern sich in der Seele von Kunst wirklich berühren lässt, dann kann das ein echtes religiöses Erlebnis sein."  

In fünf Stunden Christ werden  

Michelangelos Pietà sei das stärkste Glaubensbekenntnis der Kunstgeschichte. "Ich glaube, dass ein Atheist, der sich fünf Stunden lang verständig die Pietà anschaut, anschließend Christ werden kann", erklärte Lütz. 

Pièta von Michelangelo im Petersdom / © Andreas Zerndl (shutterstock)
Pièta von Michelangelo im Petersdom / © Andreas Zerndl ( shutterstock )

"Man sieht unten in den Gewandfalten noch das ganze Leid, und je näher der Blick zum Gesicht geht, desto ruhiger werden die Falten. Maria lächelt sanft und anmutig." 

"Eine Mutter, die lächelt angesichts des Leichnams ihres Sohnes, das kann man nur verstehen, wenn diese Mutter wirklich an die Auferstehung glaubt. Und dieser Leib Jesu ist so unglaublich schön gebildet, dass man da die Menschwerdung Gottes buchstäblich sehen kann."  

Im Blick auf Weihnachten ergänzte der Autor: 

"Wenn die Christen glauben, dass Gott Mensch geworden ist, dann heißt das auch, dass man in Menschen Gott begegnen kann und vor allem, dass wir nicht sinnlose, winzig kleine Lebewesen in einem sinnlosen, gigantischen kalten Weltall sind, sondern jeder und jede von Gott geliebt und gewollt ist."

Manfred Lütz

Manfred Lütz ist Psychiater, Theologe und Buchautor. Der Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln hat mehrere Bestseller zu den Themen Kirche und Gesellschaft verfasst. Darüber hinaus tritt er auch in Talkshows und auf Kabarettbühnen auf. Im Herbst ist sein neues Buch "Bluff!" erschienen, in der er der Frage nach Schein und Sein im alltäglichen Zusammenleben auf den Grund geht.

Manfred Lütz / © Julia Steinbrecht (KNA)
Manfred Lütz / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA