DOMRADIO.DE: Zur Liturgie des Gründonnerstags gehört der eindrückliche Ritus der Fußwaschung. Sie steht in besonderer Weise für Nächstenliebe und Diakonie. Darf also auch ein Diakon die Fußwaschung vollziehen?

Prof. Dr. Stephan Wahle (Liturgiewissenschaftler in Paderborn): Die Fußwaschung ist Teil der Liturgie vom Gründonnerstag, also der Messe von Letzten Abendmahl. Das ist in der Geschichte nicht immer so gewesen, aber spätestens seit den Reformen in der Liturgie im 20. Jahrhundert.
Damit ist dann auch klar, dass der Vorsteher der Eucharistiefeier – also der Bischof oder der Priester – dieses zentrale Ritual der Fußwaschung durchführt. Vorgesehen ist also in der Tat zunächst der Priester für die Fußwaschung und nicht der Diakon.
DOMRADIO.DE: Werden am Gründonnerstag anstatt von Eucharistiefeiern auch Wortgottesdienste mit Fußwaschung in bestimmten Gemeinden angeboten, etwa weil kein Priester verfügbar ist? Dort könnte dann ja auch ein Diakon den Ritus vollziehen.
Wahle: Das ist schon lange liturgische Praxis. In vielen Regionen des deutschen Sprachraums wird bereits seit einiger Zeit nicht mehr das gesamte Triduum (Zeitraum von Gründonnerstag bis Ostersonntag; Anm. d. Red.) gefeiert, so wie es das Messbuch vorgibt. Es wurden schon unterschiedliche, auch sehr gute Erfahrungen mit anderen Formen gesammelt – vor allem mit der Wortgottesfeier.
In der Tat wird für den Gründonnerstag immer wieder vorgeschlagen, als zentrales Zeichen dieser Liturgie dann auch die Fußwaschung zu vollziehen, die der Vorsteher oder die Vorsteherin dieser Liturgie vornehmen kann. Es gibt auch Beispiele aus anderen Konfessionen, an denen man sich dabei orientieren kann. Man kann aber auch den Ritus der Fußwaschung so übernehmen, wie das Messbuch ihn vorsieht und dann in eine solche Wortgottesfeier integrieren.

DOMRADIO.DE: Wäre es liturgisch sinnvoll, wenn Diakone oder Laien die Fußwaschung vornehmen würden?
Wahle: Entscheidend ist durch die Geschichte hindurch, dass Liturgie im Allgemeinen nicht nur ein Nachspiel des Evangeliums ist. Obwohl es auch immer Elemente der Nachahmung gibt. Mit Blick auf die Fußwaschung waren es ja bis vor kurzem nur Männer, die zugelassen wurden. Franziskus hat das geändert und dadurch klargestellt, dass es darum geht, das ganze Volk Gottes in der Gruppe derjenigen abzubilden, denen die Füße gewaschen werden: also alte und junge Menschen, Frauen und Männer, Gesunde und auch Kranke auszuwählen.
Es geht auch nicht darum, dass man Kommunionkindern oder Ehrenamtlichen die Füße wäscht – wie es oft in Kirchengemeinden gehandhabt wird. Vielmehr ist wichtig, dass das versammelte Volk Gottes, vielleicht sogar Menschen darüber hinaus, dieses Zeichen des Dienstes Jesu Christi erhält. Die Fußwaschung ist also eine Auftrags- und Nachfolgehandlung, die am Gründonnerstag abgebildet werden kann.
Das heißt im Umkehrschluss, auch derjenige, der diese Handlung durchführt, muss nicht unbedingt der Amtsträger sein, der in besonderer Weise Christus repräsentiert. Es kann auch derjenige oder diejenige sein, der oder die durch die Taufe Christus repräsentiert. Also jemand, der am gemeinsamen Priestertum aller Getauften und Gefirmten teilhat.
DOMRADIO.DE: Die Fußwaschung ist kein Sakrament, aber eine Sakramentalie. Wurde das schon immer so gesehen?
Wahle: In der römischen Liturgie war die Fußwaschung im strengen Sinne nie ein Sakrament, spätestens seitdem man Sakramente und Sakramentalien klar voneinander trennt. Damals hat man auch die Siebenzahl der Sakramente festgelegt. Die Fußwaschung wurde immer wieder aber als eine Art achtes Sakrament angesehen, teilweise auch als Teil der Initiationsliturgie.

Denn sie erinnert an die Nachfolge Jesu Christi und die Gemeinschaft mit ihm. Man kann die Fußwaschung anstatt mit dem Wort "sacramentum" besser als "mandatum" bezeichnen – also eine Beispielhandlung, die sehr nah an Jesus Christus heranführt, aber keine sakramentale Qualität aufweist.
DOMRADIO.DE: Wäre es deshalb möglich, die Fußwaschung auch in einem anderen Zusammenhang als in der Gründonnerstagsliturgie zu begehen?
Wahle: Es ist nicht undenkbar, dass man die Fußwaschung auch mit einem anderen Tag im Kirchenjahr oder einer anderen Liturgie verbindet. Dennoch ist sie ein sehr starkes Zeichen, das eben mit dem Gründonnerstag und der entsprechenden Passage aus dem Evangelium nach Johannes verbunden ist. Daher wäre ich etwas zurückhaltend, dieses starke Zeichen zu oft in den unterschiedlichsten Liturgien einzusetzen.
Es wäre gut, die Fußwaschung als prägendes Zeichen für den Gründonnerstag stärker ins Bewusstsein zu heben. Und zwar auch bewusst als Fußwaschung und nicht als Händewaschung oder in einer anderenden experimentellen Durchführungsart. Denn es geht hier um das starke Symbol des Sklavendienstes Jesu Christi, das man in kaum einem anderen Zeichen adäquat wiedergeben kann.
Das Interview führte Roland Müller.