Theologe sieht Kirche auf dem Weg zu weniger Zentralismus

Theologie der Ortskirchen

Der lateinamerikanische Theologe Luciani sieht die katholische Kirche in einer wichtigen Übergangszeit - vom Zentralismus hin zu mehr Pluralität. Probleme bereiten allerdings die unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Papst Franziskus bei Beratungen während der Weltsynode am 23. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus bei Beratungen während der Weltsynode am 23. Oktober 2023 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Der venezolanische Theologe und Berater der Weltsynode, Rafael Luciani, sieht die katholische Kirche weltweit in einer wichtigen Übergangsphase. Sie entwickele sich derzeit von einem sehr zentralistischen Kirchenbild hin zu einer Kirche der Ortskirchen, sagte der Professor an der Katholischen Universität in Caracas (Venezuela), Berater des Generalsekretariats der Weltsynode im Vatikan sowie des lateinamerikanischen Bischofsrats CELAM im Interview des Portals katholisch.de (Dienstag). "Wenn der ekklesiologische Übergang vollendet ist, werden die Ortskirchen eine eigene Autorität haben."

Papst Johannes Paul II. / © giulio napolitano (shutterstock)
Papst Johannes Paul II. / © giulio napolitano ( shutterstock )

Der Theologe erklärte: "Wir kommen von einem universalistischen Verständnis der Kirche, das in den 80er- und 90er-Jahren während des Pontifikats von Johannes Paul II. verfestigt wurde." Benedikt XVI. habe dieses Kirchenbild fortgeführt. "Die Konsequenz war, dass das Verständnis der Kirche als Ortskirche gelitten hat. Der Papst und der Vatikan wurden hingegen zu stark gewichtet." Papst Franziskus habe die Theologie der Ortskirchen wieder hervorgeholt und vertiefe sie nun.

Ungleichzeitigkeiten

Allerdings habe die Übergangsphase zur Folge, dass "die große Mehrheit der Ortskirchen nicht genau versteht, was das bedeutet". Es gebe deshalb Ungleichzeitigkeiten mit Blick auf das Verständnis der Ämter, der Lehre, der Bedeutung der Bischofskonferenzen und der Ortskirchen.

Lateinamerikanischer Bischofsrat CELAM

Der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM ("Consejo Episcopal de Latinoamericano") ist der Zusammenschluss von 22 nationalen Bischofskonferenzen Lateinamerikas und der Karibik. Seine Aufgabe ist es, der Kirche in den Mitgliedsländern theologische und pastorale Impulse zu geben, Kontakte zwischen den Mitgliedern herzustellen und die Zusammenarbeit zu fördern.

Gruppenbild Papst Franziskus mit CELAM / © Osservatore Romano (KNA)
Gruppenbild Papst Franziskus mit CELAM / © Osservatore Romano ( KNA )

Luciani verwies in diesem Zusammenhang auf bereits seit Jahrzehnten bestehende Unterschiede bei der Organisation innerhalb der Weltkirche. In Lateinamerika bestehe schon seit 1955 der Bischofsrat CELAM, in dem Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien eng zusammenarbeiteten. 

In Europa gebe es zwar mit der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft und dem Rat der europäischen Bischofskonferenzen ähnliche Institutionen, die aber nie ähnlich eng kooperiert hätten. "In Afrika oder im Nahen Osten ist das Konzept der kirchlichen Versammlung, in der die Stimme der Laien der Stimme der Bischöfe gleichberechtigt ist, unbekannt. Deshalb ist die Rezeption dieses Konzepts dort schwierig."

"Synodaler Weg in Deutschland sehr wichtig"

Die anstehende Weltsynode sei deshalb wichtig, weil sie auf vielen Kontinenten die einzelnen Ortskirchen zum ersten Mal in einer wirklichen Gemeinschaft zusammengeführt habe, unterstrich Luciani. Den Reformprozess des Synodalen Wegs in Deutschland bezeichnete der Theologe als "sehr wichtig, besonders auch die Form, die gewählt wurde, um ihn umzusetzen". 

Darin spiegelten sich die Erfahrungen, die die Kirche in Deutschland seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemacht habe. "Aber nicht in allen Teilen der Welt versteht man Kirche so wie in Deutschland, da muss Erklärungsarbeit geleistet werden."

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA