Theologe Söding analysiert Arbeitsdokument der Weltsynode

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Im Oktober beginnt die zweite Runde der Weltsynode in Rom. Für die Beratungen wurde nun das "Instrumentum laboris", das Arbeitsdokument vorgestellt. Thomas Söding nimmt als Experte an der Synode teil und analysiert für DOMRADIO.DE.

Autor/in:
Prof. Dr. Thomas Söding
Prof. Thomas Söding / © Maximilian von Lachner (SW)
Prof. Thomas Söding / © Maximilian von Lachner ( SW )

Die katholische Kirche soll eine synodale Kirche werden. Sie ist es noch nicht. Aber sie muss und sie kann sich synodal entwickeln. Papst Franziskus hat das Stichwort vorgegeben. Im ersten Teil der Weltsynode, Oktober 2023, sind tausend Ideen gesammelt worden. Jetzt geht es ans Eingemachte. Das Instrumentum laboris für Teil II ist da. Es gibt viel zu tun. Im Oktober 2024 zählt es.

Seit Teil I der Synode ist viel Wasser den Tiber hinuntergeflossen. In sehr vielen Ländern dieser Welt haben katholische Gläubige auf die Impulse aus Rom reagiert, auch in Deutschland. Die Berichte sind ins Instrumentum eingeflossen. Der Vatikan hat nicht weniger als zehn Studiengruppen gebildet, die bis 2025 zentrale Themen abarbeiten sollen: vom Diakonat der Frau bis zur Kirche in der digitalen Welt und von der Option für die Armen bis zu nötigen Änderungen des Kirchenrechts. Das Instrument zählt sie auf, will aber eine thematische Konzentration fördern – einmal mehr. Bislang hat es nicht geklappt, weil alles mit allem zusammenhängt: die Rechte von Frauen mit der Teilhabe der "Laien" am Leben der Kirche und die Inklusion, die dem Jesuswort: "Kommt her zu mir … ich will euch erquicken" entspricht (Mt 11,28), mit der Klarheit des Sendungsauftrages, Gottes- und Nächstenliebe zu vereinen, für die Armen dieser Welt. Die Studiengruppen werden Zwischenberichte erstatten – dann wird sich zeigen, wie offen die Debatte geführt wird. Eine Abspaltung wäre ungut. 

Aber klar ist auch: Die katholische Kirche muss Rechenschaft davon ablegen, wie sie Synodalität versteht und verwirklicht: Auf welcher Grundlage steht eine synodale Kirchenverfassung? Welche Beziehungen, innerhalb wie außerhalb der Kirche, nicht zuletzt in der Ökumene, müssen gestaltet werden? Welche Wege lassen sich bahnen? Und an welchen Orten verwirklicht sich eine synodale Kirche? Das neue Instrumentum laboris stellt erste Antworten zur Diskussion. Vor dem 1. Teil hatte es eine Fülle von Anregungen notiert. Jetzt wird eine erste Vorlage für eine Gesamtsicht deutlich. Sie lässt noch viele Fragen offen und baut noch viele Spannungsbögen auf. Die Qualität der Synode wird an den Antworten hängen – und daran, wie der Papst die Empfehlungen aufgreift. 

Ein Zwischenergebnis ist schon klar: Nicht mehr das Ob, sondern das Wie einer synodalen Kirche steht auf der Tagesordnung. Dass die synodale nicht gegen die päpstliche und bischöfliche Ordnung ausgespielt werden kann, versteht sich von selbst. Aber wie sich die bischöfliche Ordnung durch markante Synodalität entwickelt und wie Synodalität auf katholisch buchstabiert wird, mit den Bischöfen und mit dem Papst, ist die spannende Frage. Dass in der katholischen Kirche der Wille, zusammen zu bleiben, stark ausgeprägt ist und, nicht zuletzt mit dem Papst, auch einen personalen und institutionellen Ausdruck findet, wird klar herausgearbeitet. Aber dass Einheit nicht Uniformität bedeutet, wird ebenso klar. Eine Kirche der Vielfalt in einer bunten Welt zu sein, die viel zu viel Schwarz-Weiß-Denken kennt - und eine Kirche der Einheit in der einen Welt, die tief gespalten ist: beides zusammenzuhalten, das ist die Aufgabe der katholischen Kirche heute. 

Synodale Entscheidungsprozesse

Ein starkes Augenmerk gilt den Entscheidungsprozessen innerhalb der katholischen Kirche. Das Instrumentum laboris knüpft an die viel beachtete Studie der Internationalen Theologischen Kommission von 2018 an: die Qualität und Intensität der Beratungen müsse nachhaltig gestärkt werden, damit die Entscheidungen besser werden, die von den Verantwortlichen zu treffen sind, aber die Zustimmung der Menschen finden müssen. Es wird nicht an Stimmen fehlen, die hier einen Grundwiderspruch zum Synodalen Weg in Deutschland sehen wollen, für den "Gemeinsam beraten und entscheiden" die Marke geworden ist. Aber dieser Gegensatz beruht auf einer optischen Täuschung. Zum einen sind in den synodalen Texten aus Deutschland die bischöflichen Rechte gewahrt – sie werden nur klüger, kommunikativer, verbindlicher wahrgenommen, nämlich eingebunden in synodale Ordnungen, die der Bischof erlässt und an die er sich hält; niemand kann dazu gezwungen werden, jeder ist gut beraten, sie einzuhalten. 

Zum anderen betont das Instrumentum laboris zwar mit Recht die unterschiedlichen Verantwortungen innerhalb der Kirche und verankert die Leitungsaufgabe der "Hirten" in der hierarchischen Ordnung der Kirche, die der Herrschaft Jesu Christi in der und über die Kirche dient. Aber es hat erstens von einem Auseinanderklaffen zwischen Beratung und Entscheidung gewarnt und zweitens einen starken Akzent auf Transparenzgebote und Rechenschaftspflichten der Amtsträger gelegt. Der Schlüssel ist ein Denken in Prozessen: in dynamischen Entwicklungen, die – so Gott will – der Heilige Geist anstößt und die in gute Formen gegossen werden. Wem gegenüber Rechenschaft abgelegt werden muss, wie und mit welchen Konsequenzen: Die Synode hat viel zu tun. Es muss konstruktiv werden. 

Synodale Netzwerke

Die katholische Kirche ist ein Weltkirche mit einer starken Zentrale. Das ist gut so. Nur so kann sie die Stimme des Glaubens und der Vernunft sein, die weltweit gehört wird. Aber der katholischen Kirche schadet der Zentralismus. Das Instrumentum laboris hat dies verstanden. Es spricht in erfrischender Deutlichkeit von der Schönheit der Vielfalt. Es hat eine klaren Blick für die Unterschiedlichkeit der Kulturen, in denen es immer den einen katholischen Glauben gibt – aber in der Polyphonie vieler Berufungen und Begabungen. 

In der Weltsynode über Synodalität müssen Konsequenzen gezogen werden, auch organisatorische. Sonst bleibt die Vielfalt ein leeres Versprechen. Schon im Herbst 2023 ist herausgearbeitet worden, dass die lokale und regionale Ebene nicht zu kurz kommen dürfen. Auch im neuen Instrumentum fehlt der Begriff der Subsidiarität. Aber immerhin wird zwischen den Zeilen angedeutet, dass die Basis gestärkt werden muss – und zwar dadurch, dass die kirchenrechtlich bislang recht restriktiv geregelten "Räte" in ihren Rechten gestärkt werden, so dass die Beratungen Relevanz für die Entscheidungen gewinnen und die bischöfliche Leitungskompetenz nicht darin kulminiert, "Basta" zu sagen, sondern die Unterscheidung der Geister zu steuern, sich selbst korrigieren zu lassen und die Gemeinschaft des Glaubens zu stärken. 

Wenn die Richtung, die das Instrumentum laboris weist, auf der Synode und dann vom Papst in seinem nachsynodalen Schreiben konsequent weiter verfolgt wird, geht die katholische Kirche anders aus dem Prozess heraus, als sie in ihn hineingegangen ist. Sie will und muss ihrer Tradition treu bleiben. Aber sie muss sich ändern. Es gibt einen Weg. 

Synodale Dynamiken

Der Synodale Weg in Deutschland ist auf seiner zweiten Etappe: Der Ausschuss ist gebildet, Rom hat die Bremsen gelöst und die Bedenken zumindest zurückgestellt. Jetzt ist die Zeit, noch einmal genau auf die Entwicklungen in Rom während der Weltsynode II zu achten. Im Instrumentum steht selbst, dass nicht die Antworten auf alle Fragen erwartet werden können und dass es nicht den einen Masterplan für alle gibt. Desto wichtiger ist in einer guten Mischung von Demut und Selbstbewusstsein den synodalen Prozess in Deutschland zu gestalten. Sehr viel passiert in vielen Diözesen, auch für die Bundesebene wird sich ein gutes Konzept finden lassen, das in Rom auch anerkannt werden kann. Ein Schlüssel wird hier wie weltweit sein, Synodalität nicht als Verteidigung von Privilegien, sondern als gemeinsame Anstrengung zur Umkehr und Erneuerung der Kirche zu verantworten. 

Ein Schlüsselwort des Instrumentum laboris ist „Harmonie“. Es spricht das katholische Herz an. Aber Harmoniesucht ist nicht die Leidenschaft für Glaube, Liebe und Hoffnung. Es braucht eine Konflikt- und Fehlerkultur. Es braucht Instrumente, nicht die Kunst der Selbstverteidigung zu üben, sondern die Kirche in die Zukunft zu führen. Missbrauch wird im römischen Text angesprochen, wenn auch nur kurz. Für die Leugnung systemischer Faktoren bleibt kein Platz. Aber wie persönliche Schuld mit Organisationsversagen zusammenhängt und wie Prävention zur DNA der Kirche werden kann: Hier muss die Synodenversammlung nachlegen. Es wird an den Mitgliedern hängen, Klartext zu sprechen. 

Die katholische Kirche wird gebraucht. Je mehr sie synodal wird, desto besser ist es, nicht nur für sie. 

Zum Autor: Prof. Dr. Thomas Söding nimmt als Experte an der Weltsynode teil und ist Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Er ist Seniorprofessor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

Thomas Söding

Thomas Söding wuchs in Hannover auf, er machte sein Abitur in Bad Harzburg im Harz, wo er auch seine Frau kennenlernte, "der beste Moment meines Lebens", wie er bis heute sagt. Sie leben in ihrer Wahlheimat Münster, weil laut Söding "hier vieles zusammenpasst: eine kleine Großstadt, eine katholische Kirche mit Kultur, eine Stadt der Wissenschaft mit Bodenhaftung". 

Prof. Dr. Thomas Söding / © ZdK/ Peter Bongard (Zentralkomitee der deutschen Katholiken)
Quelle:
DR