Theologe Söding lobt globale Kirchenversammlung als starkes Signal

"Papst Franziskus bestellt sein Feld"

Am Wochenende hat der Vatikan angekündigt, wie es nach dem Ende der Weltsynode weitergehen soll. Der Theologe Thomas Söding zeigt sich mit dem synodalen Fahrplan zufrieden und fordert Änderungen beim Kirchenrecht.

Autor/in:
Roland Müller
Abschluss der Beratungen bei Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Abschluss der Beratungen bei Weltsynode / © Vatican Media/Romano Siciliani ( (Link ist extern)KNA )

DOMRADIO.DE: Am Samstag hat der Vatikan den Fahrplan für die Fortführung des weltweiten synodalen Prozesses veröffentlicht. Viele haben sich davon überrascht gezeigt. Sie auch?

Prof. Dr. Thomas Söding / © ZdK/ Peter Bongard (Zentralkomitee der deutschen Katholiken)

Prof. Dr. Thomas Söding (Theologe, Seniorprofessor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität in Bochum): Die Nachricht hat mich aus drei Gründen sehr erfreut. Erstens: Papst Franziskus bestellt sein Feld, das heißt, er sorgt dafür, dass Synodalität auch in Zukunft ein wichtiges Thema bleibt. 

Zweitens: Es wird genau die Perspektive der Weltsynode weitergeführt. 

Und drittens: Jetzt sind tatsächlich die Voraussetzungen dafür gegeben, dass es zu einem Austausch zwischen den Entwicklungen vor Ort in der weiten katholischen Welt und dem, was in Rom gebündelt werden soll, kommt. Das ist gelebte Synodalität.

DOMRADIO.DE: Hat sich bei der vergangenen Sitzung der Weltsynode abgezeichnet, dass die synodale Entwicklung in diese Richtung weitergehen wird?

Thomas Söding

"Synodalität ist zu einem Langzeitthema der Theologie geworden."

Söding: Die Weltsynode wollte einen Anfangspunkt setzen und Papst Franziskus war damit offensichtlich so zufrieden, dass er sich das Schlussdokument der Synode sofort zu eigen gemacht hat. Dass es der Evaluation und Weiterentwicklung der Synodalität bedarf, steht bereits in diesem Text der Weltsynode. Mich erfreut, dass es mit dieser Konsequenz weitergeführt wird und nicht zu lange gewartet wurde, bis nun der nächste Schritt folgt. 

Ich hatte bislang die leichte Befürchtung, dass die synodale Entwicklung mit der Weltsynode zuende gewesen sein könnte, falls die katholische Kirche keine richtige Nachfolgestruktur gefunden hätte, die die Synodalität auf Dauer stellt. Das ist jetzt angegangen worden, und Synodalität ist zu einem Langzeitthema der Theologie geworden – und das ist auch genau richtig so.

DOMRADIO.DE: Die Implementierungsphase der Weltsynode, die der Vatikan nun angekündigt hat, ist also eine Verstetigung von Synodalität?

Söding: Es ist sicherlich so, dass Synodalität nicht nur eine Phase oder ein Moment ist. Es gab ja auch einige Fundamentalkritiker an Papst Franziskus und der Synode, die nur darauf gehofft haben, dass dieser angebliche Spuk schnell vorbei ist. Aber das ist nun eindeutig nicht der Fall, sondern es ist eine Strukturentscheidung der katholischen Kirche, die ich auch für theologisch gut begründet halte. Denn hier werden Schrift und Tradition in viel breiterer Weise genutzt, als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. 

Außerdem wird ein produktiver Druck auf der Ebene der Weltkirche aufgenommen, Probleme anzugehen. Wir brauchen neue Formen, um den gestiegenen Erwartungen an eine aktive Teilhabe zu entsprechen. Synodalität ist dafür ein Mittel, und jetzt wird dieses Mittel konkret. Diese Konkretisierungsphase ist genau das, was die katholische Kirche braucht. 

DOMRADIO.DE: Nun gibt es einen Fahrplan für diese Konkretisierung: Erst die Umsetzung in den Ortskirchen, dann auf nationaler Ebene, anschließend auf kontinentaler Ebene und letztlich soll es 2028 keine Synode, sondern eine Kirchenversammlung auf Weltebene geben. Was wollen Papst Franziskus und der Vatikan mit diesem Fahrplan erreichen?

Thomas Söding

"Was wir nicht brauchen, ist einfach nur ein Marktplatz, auf dem man sich darüber austauscht, was jetzt alles gut läuft."

Söding: Es ist ein ganz starkes Signal, dass hier eine Kirchenversammlung anberaumt wird. Kirchenversammlung ist derjenige Begriff, der vor allem von Lateinamerika aus immer stärker die Zukunft der katholischen Kirche prägt, weil das Wort Synode bislang sehr stark von bischöflicher Kollegialität geprägt gewesen ist. Es öffnet sich jetzt langsam in Richtung einer Kirchenversammlung und das bedeutet, dass dort bei weitem nicht nur Bischöfe Mitglieder sind, die Sitz und Stimme haben, sondern viele andere auch – Laien, Ordensleute, Diakone und Priester. 

Es gibt allerdings noch eine wichtige Aufgabe: Es muss jetzt der theologische und rechtliche Stellenwert einer solchen Kirchenversammlung präzise bestimmt werden. Dafür ist nun eine gute Zeit. Was wir nicht brauchen, ist einfach nur ein Marktplatz, auf dem man sich darüber austauscht, was jetzt alles gut läuft. Vielmehr brauchen wir eine verbindliche Versammlung, die auch in der Lage ist, mit dem Papst zusammen Entscheidungen zu treffen.

DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche von den Kirchenversammlungen in Lateinamerika lernen, von denen Sie gesprochen haben?

Söding: Mindestens zwei Dinge kann die Weltkirche von dort lernen: Das eine ist, dass eine Bischofsversammlung sich auf den Weg macht, eine Kirchenversammlung zu werden, das heißt, eine breite Partizipation zu organisieren. Im Amazonas-Gebiet ist die Integration der Indigenen ein Schlüsselthema. Das andere ist, dass auf einer kontinentalen Ebene eine große Orientierung der katholischen Kirche an den Bedürfnissen vor Ort konkret wird. Das Stichwort heißt Dezentralisierung, hier hinkt Europa weit hinterher. Auch Europa sollte sich auf den Weg machen, eine europäische Kirchenversammlung zu organisieren. 

Kirche am Amazonas / © bumihills (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Mit einer Kirchenversammlung auf Ebene der Weltkirche wagt sich Franziskus an ein Experiment, denn kirchenrechtlich oder dogmatisch ist vieles unklar, etwa welches Lehramt diesem Gremium zukommt.

Söding: Das Kirchenrecht hinkt im Moment etwas hinterher, aber das Synodensekretariat hat eine kirchenrechtliche Kommission eingesetzt, die vorausdenkt. Wir haben schon gelernt, dass das Schlussdokument der Weltsynode lehramtlichen Charakter hat – und zwar von genau demselben Rang, wie wenn es sich um ein nachsynodales Schreiben des Papstes gehandelt hätte. 

Für das Kirchenrecht ist immer wichtig, dass es eine Referenz zur kirchlichen Lehre gibt. Die Lehre der Kirche hat sich jetzt geändert, und sie ändert sich auch weiterhin. Und das muss kirchenrechtlich nachvollzogen werden, denn es gibt im Moment eine ganze Reihe von offenen Stellen bei diesem Thema, die gefüllt werden müssen. Bis 2028 ist allerdings auch noch etwas Zeit.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland durch die Ankündigung aus dem Vatikan gestärkt oder geschwächt?

Thomas Söding

"Ich weiß aber, dass weltweit viele darauf hoffen, dass der Synodale Weg in Deutschland tatsächlich zu einem sehr guten Ergebnis kommt."

Söding: Der Synodale Weg in Deutschland ist in jedem Fall gestärkt, er hat Rückenwind bekommen. Das bedeutet aber nicht, dass man glauben sollte, man habe als Kirche in Deutschland das beste Modell für die ganze katholische Weltkirche. Das ist keineswegs so. Es werden aber die Kräfte in Deutschland gebündelt, die es hierzulande schon seit langem gibt – ich denke etwa an die Würzburger Synode, an die Pastoralsynode in der ehemaligen DDR und an die vielen anderen synodalen Versammlungen auf Bistumsebene. Da ist schon sehr viel unterwegs, aber es hat bislang daran gemangelt, dass es keine Verbindlichkeit auf Dauer gegeben hat. 

Da sind wir jetzt in Deutschland an einer entscheidenden Stelle. Wir sind nur eine Stimme im weltweiten Synodalkatholizismus, aber eine durchaus starke und selbstbewusste Stimme – ohne, dass wir uns überschätzen sollten. Ich weiß aber, dass weltweit viele darauf hoffen, dass der Synodale Weg in Deutschland tatsächlich zu einem sehr guten Ergebnis kommt. 

Und das heißt, dass wir so etwas wie einen Synodalen Rat auf Bundesebene haben werden, in dem relevante Entscheidungen über gesellschaftliche Stellungnahmen der Kirche und über pastorale Zukunftsfragen getroffen werden. Und am Ende müssen wir auch über Geld sprechen.

Fünfte Synodalversammlung in Frankfurt / © Maximilian von Lachner (SW)

DOMRADIO.DE: Die nun veröffentlichte Ankündigung wird die Zukunft der Kirche prägen. Franziskus hat sie in einer Situation veröffentlichen lassen, in der er gesundheitlich stark geschwächt ist. Wollte er damit vielleicht seine Handlungsfähigkeit bewusst demonstrieren?

Söding: Es war verfrüht, den Papst aufgrund seiner Krankheit für handlungsunfähig zu halten, wie es viele getan haben. Ich bin sehr froh, dass es dem Papst offensichtlich besser geht. Es ist gut, dass er genau weiß, mit wem er die Zukunft der katholischen Kirche gestalten kann. Er weiß auch, dass es viele gibt, denen sein ganzer Kurs nicht passt. Er hat klar, wie viele Bremser es gibt, es gibt aber auch diejenigen, die Tempo machen.

Das Synodensekretariat mit Kardinal Mario Grech, auch mit Kardinal Jean-Claude Hollerich und in jedem Fall mit Schwester Nathalie Becquart sind auf der Seite derjenigen, die Synodalität organisieren wollen, weil die Zukunft der katholischen Kirche daran hängt, dass wir mehr Beteiligung ermöglichen und mehr Qualität in den Zusammenhalt bekommen, sodass die Gemeinschaft gestärkt wird. Dadurch wird auch die Sendung der Kirche deutlicher herausgestellt. Um sie geht es. 

Das Interview führte Roland Müller.

Fahrplan der vom Papst ausgerufenen weltweiten Synode

Papst Franziskus hat einen weltweiten synodalen Prozess eröffnet. Um die Kirche insgesamt synodaler zu machen, soll über die für Herbst 2023 in Rom geplante Bischofssynode zunächst auf diözesaner, dann auf kontinentaler Ebene beraten werden. Thema der Beratungen ist "Eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation, Mission". Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert den Zeitplan:

9./10. Oktober 2021: Im Vatikan eröffnet Papst Franziskus mit Reflexion, Gebet und Messe die Synode; sie trägt den Titel "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission"

Papst Franziskus hält einen Rosenkranz beim Gottesdienst zum Abschluss der Weltsynode / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus hält einen Rosenkranz beim Gottesdienst zum Abschluss der Weltsynode / © Romano Siciliani ( (Link ist extern)KNA )
Quelle:
DR

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