Theologe warnt vor Instrumentalisierung des Kreuzes

"Das Kreuz bleibt anstößig"

Gehören Kreuze auf Berggipfel, in Gerichte, Schulen oder auf das Berliner Humboldt-Forum? Oder sollten sie weg mit Rücksicht auf alle Nicht-Christen? Das Kreuz bleibt anstößig. Und das ist gut so, findet Theologe Jan-Heiner Tück.

Ein Kreuz hängt an der Wand in einem Zimmer einer Intensivstation / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Kreuz hängt an der Wand in einem Zimmer einer Intensivstation / © Harald Oppitz ( KNA )

In der Debatte um die Sichtbarkeit von Kreuzen im öffentlichen Raum warnt der katholische Theologe Jan-Heiner Tück davor, das christliche Symbol in kulturkämpferischer Absicht politisch zu instrumentalisieren. Zum einen sei es nicht Aufgabe des weltanschaulich neutralen Staates, religiöse Symbole aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen, sagte er am Montagabend in Berlin. Dann würden am Ende Religionslose gegenüber religiösen Menschen bevorzugt.

Jan-Heiner Tück (privat)
Jan-Heiner Tück / ( privat )

Genauso wenig aber sei es auf der anderen Seite Aufgabe des Staates, dem gesellschaftlichen Akzeptanzverlust des Kreuzes durch politisches Eingreifen gegenzusteuern. Das versuche zum Beispiel seit 2018 in Bayern die CSU-Regierung mit ihrem Erlass zum Aufhängen von Kreuzen in öffentlichen Gebäuden.

Kreuz als wichtiger Impulsgeber

Das Kreuz sei in seiner Bedeutung immer anstößig, fügte der Theologe hinzu. Dadurch könne es aber auch einer sehr weltlich und wenig religiös geprägten Gesellschaft wichtige Impulse geben. Ein Kreuz ermögliche die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen des Lebens, wozu auch Leid und Tod gehörten. Das werde in einer säkularen Gesellschaft oft verdrängt.

Das Kreuz sei mehr als ein Kulturzeichen, ergänzte Tück. Den theologischen Gehalt solle man nicht "amputieren". Das Kreuz stehe aus christlicher Sicht auch für die Solidarität mit den Leidenden, für eine Kultur der Versöhnung und für die Überwindung des Todes. Das Kreuz sei in einer säkularen Welt wie ein Gegenzeichen, das wissenschaftliche Vernunft vor einem Größenwahn warne. Tück forderte die Kirchen auf, die anstößige Bedeutung des Kreuzes stärker deutlich zu machen.

Zeichen für Hoffnung und Versöhnung

Der in Wien Dogmatik lehrende Theologe sprach bei einer Veranstaltung der katholischen Akademie und des Erzbistums Berlin zum Thema "Wohin mit dem Kreuz? Im Spannungsfeld von weltanschaulicher Neutralität und positiver Religionsfreiheit".

Erzbischof Heiner Koch (Erzbistum Berlin)

Auch der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch verteidigte die Sichtbarkeit von Kreuzen: Dass es immer wieder zu politischem Missbrauch des Kreuzes komme und in seinem Namen auch Unrecht geschehe, mindere nicht die Botschaft des Zeichens für Hoffnung und Versöhnung.

Das Kreuz sei von einem Elendszeichen zur frohen Botschaft des christlichen Glaubens für alle Menschen geworden, so Koch weiter: "Mit dem Kreuz werden wir nie fertig!" Es sei ein Abdruck des menschlichen Leidens und gleichzeitig ein Abdruck der Liebe Gottes.

 

Bayerischer Kreuz-Erlass

Das bayerische Kabinett hatte auf Söders Anregung am 24. April 2018 beschlossen, dass ab 1. Juni im Eingangsbereich aller Dienstgebäude im Freistaat ein Kreuz angebracht werden soll. Die Anordnung wurde seither kontrovers diskutiert. Auch in den Kirchen gingen dazu die Meinungen auseinander. (KNA)

Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 (shutterstock)
Eine Frau betet mit Kreuz in der Hand über einer Bibel / © Doidam 10 ( shutterstock )
Quelle:
KNA