Theologe warnt vor virtueller Wiederauferstehung von Toten

Lässt sich das Leben verlängern?

Die virtuelle Wiederauferstehung von Toten mittels Künstlicher Intelligenz ist nach Einschätzung des Münchner Theologen Reiner Anselm kritisch zu bewerten. Erste Tech-Firmen böten an, mit Verstorbenen kommunizieren zu können.

Autor/in:
Gabriele Ingenthron
Symbolbild Mensch und Künstliche Intelligenz / © Summit Art Creations (shutterstock)
Symbolbild Mensch und Künstliche Intelligenz / © Summit Art Creations ( shutterstock )

Das laufe dann über Chatbots und Avatare ab, die von einem KI-generierten Sprachmodell gefüttert werden. Doch es seien "reine Nachahmungsmaschinen, die so tun, als ob sich Leben verlängern ließe", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Diese Maschinen könnten zudem nicht mit dem Gesprächspartner interagieren: "Das wird nur simuliert", unterstrich der Professor für Systematische Theologie der Ludwigs-Maximilian-Universität. Er führte aus, dass die After-Life-Industrie Menschen auf Information reduziere. Deren mögliche Reaktionsweisen, Körperlichkeit, Empfindungen, Gefühle und auch sichtbaren Verletzungen würden nicht wahrgenommen.

Der Mensch habe von jeher versucht, Endlichkeit und Tod zu verarbeiten, sagte Anselm. Mit Toten zu reden gehöre zur Erinnerungskultur, aber es seien stumme Gespräche gewesen, weil die Verstorbenen nichts mehr erwidern konnten. Die neuen technischen Möglichkeiten versuchten so zu tun, als ob jemand noch präsent wäre. "Das halte ich für problematisch, weil es Kunstfiguren sind, die da entstehen", weil der Verstorbene nun einmal nicht mehr da sei. Das deutlich zu machen, sei auch der Sinn von Beerdigungsfeierlichkeiten.

Im Jenseits gibt es keine Zeit mehr

Die technischen Versuche von virtueller Wiederauferstehung unterschieden sich grundlegend von der Art, wie Religionen versuchten, mit Tod und Endlichkeit umzugehen, sagte Anselm: "Die Zukunft, die die Bibel vor Augen hat, ist nicht die Verlängerung der Gegenwart, sondern eine Zukunft, die uns entgegenkommt." Im Jenseits gebe es keine Zeit mehr und der Mensch erlange ein "neues, anderes Sein".

Die Auferstehung sei nicht einfach die Verlängerung unserer Erfahrung, sondern etwas vollkommen Neues, sagte der Theologe und wertete es zugleich als "tröstlich": "Denn wer würde wollen, dass sein Leben, so wie es ist, sich ins Unendliche verlängert. Man nehme irgendeine Situation im Leben und setze sie unendlich fort: Das wäre fürchterlich. Das wäre ein Systemabsturz des Individuums."

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
epd