Theologe Zulehner fordert Kirche zu Umgestaltungen auf

"Zeitenwende" gestalten

Die Kirche muss sich aktiv neu erfinden und sollte sich nicht darauf beschränken, "den Untergang zu verwalten", sagt Paul Zulehner. Der Theologe und Autor beschreibt anhand einer Studie, wie das gehen könnte. Er fordert Ehrlichkeit.

Paul Zulehner / © Lukas Ilgner (KNA)
Paul Zulehner / © Lukas Ilgner ( KNA )

Paul Zulehner fordert mehr Ehrlichkeit: Es sei besser, einzugestehen, dass das Hauptmotiv für Strukturreformen Geldmangel sei, als schwindende Ressourcen zu verschweigen und religiöse Gründe vorzuschieben.

Wie die Presseagentur Kathpress am Dienstag meldete, erklärte der Wiener Theologe und Religionssoziologe: "Dann lässt sich ehrlicher darum ringen, wer entscheidet und welche Prioritäten bei den Entscheidungen eine Rolle spielen."

Zulehner sieht die katholische Kirche mitten in einer "Zeitenwende" von einer Priesterkirche hin zu einer Taufberufungskirche. Er beruft sich dabei auf eine im ersten Quartal 2024 durchgeführte, von der österreichischen Pfarrerinitiative angestoßene Online-Umfrage, die Ausgangspunkt seines neuen, in Kürze erscheinenden Buches "Zeitenwende. Aufgaben und Chancen kirchlicher Strukturreformen" ist.

Christ sein ohne Messbesuch?

In Vorträgen in Wien und Salzburg hat Zulehner laut Kathpress erste Ergebnisse der Studie präsentiert. In der "Priesterkirche" werde die Pfarrgemeinde nach Zulehner vom Priester her gedacht, in der "Taufberufungskirche" vom Volk Gottes her. Wer erstere vertrete, erweise sich gegenüber Strukturreformen weitaus resistenter.

Zulehner wies auf ein gewandeltes Kirchenbild hin: Die Studie zeige eine große Zustimmung zu der Aussage "Man kann auch ohne
Sonntagsmesse ein guter Christ sein" - ein krasser Widerspruch zur Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Der Theologe erläuterte, im Umkreis der Taufberufungskirche fänden von Frauen und Männern geleitete Wortgottesfeiern hohe Akzeptanz, die Eucharistiefeier werde als "Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens" - so das Konzil - infrage gestellt.

Gegen die Depression

Zulehner sagte, die Kirche dürfe "nicht den Untergang verwalten", sondern müsse "den Übergang gestalten". So wende er sich gegen eine "kräfteraubende, ja geradezu lähmende Kirchendepression". Laut Zulehner fordern viele Kirchenmitglieder einen entschiedenen "politischen" Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung und wenden sich gegen eine "tragische Selbstbeschäftigung der Kirche mit sich selbst".
 

Zweites Vatikanisches Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war die bislang letzte beschlussfassende Versammlung aller Bischöfe der katholischen Weltkirche. Rund 2.800 Konzilsväter debattierten im Petersdom darüber, wie die Kirche ihre Botschaft unter den Bedingungen der modernen Welt und von weltanschaulichem Pluralismus verkünden kann. Weitere Themen waren eine Reform von Liturgie und Priesterausbildung, die Einheit der Christen und die Aussöhnung von Kirche und Judentum.

II. Vatikanisches Konzil vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 / © N.N. (KNA)
II. Vatikanisches Konzil vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 / © N.N. ( KNA )
Quelle:
KNA