Theologische Literatur auf der Frankfurter Buchmesse

Wie hast du's mit der Religion?

In Amerika gehen die Uhren anders: Vor wenigen Tagen korrigierte die zentrale US-Gefängnisverwaltung ihre Entscheidung, alle religiösen Bücher und Religionsschriften aus den Bibliotheken der Anstaltsseelsorger zu verbannen. Sie waren auf dem Index gelandet, weil sie Gewalt oder Radikalisierung Vorschub leisten könnten. An der Gretchenfrage kommt die Buchmesse in diesem Herbst nicht vorbei: "Nun sag', wie hast du's mit der Religion?"

 (DR)

In zahlreichen neuen Sachbüchern sind die Fragen nach dem Sinn des Lebens das zentrale Thema. Auch die Kontroverse zwischen den Rationalisten und Religion sowie der Zusammenprall der Kulturen fanden Eingang in die Verlagsprogramme. Anders als 2006 gibt es in diesem Jahr keine neue politisch korrekte Bibel. Dafür eine Serie von wichtigen religiösen Schriften.

Nach langer Vorbereitung lanciert das Haus Suhrkamp zeitig zur Buchmesse die ersten Bände seines jüngsten Sprosses, des "Verlag der Weltreligionen". Die Richtung für das globale Religionsgespräch ließ sich vorab bereits in einem stattlichen Almanach entnehmen. Der Soziologe Ulrich Beck und der Kulturphilosoph Peter Sloterdijk gehören zum Kreis der Autoren. Ein Kanon mit grundlegenden Schriften der großen Religionen in Ost und West finden sich in dem Programm - gemäß dem Grundsatz "Die Schrift zuerst", wie Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz sagt: "Alle Welt redet über den Islam, maßt sich Urteile an, obwohl es doch nur wenige gibt, die den Koran gelesen haben, und kaum einen gibt, der die Hadithe kennt, die viel entscheidender für das Leben, Denken und Handeln der Muslime sind."

Der neu entbrannte Streit um die Evolutionstheorie ist auch Thema des Buchs "Schöpfung und Evolution - zwischen Sein und Design", das der evangelische Theologe Ulrich Körtner und die Naturwissenschaftlerin Marianne Popp aus Wien zusammengestellt haben. In dem Kulturkampf zwischen Kreationisten und Naturalisten werben sie für einen Dialog, der nicht von Unvereinbarkeit zwischen Glauben und Wissen geprägt ist.

Festgesetzt in den Bestsellerlisten haben sich Hape Kerkeling mit seinen Pilgererlebnissen und das "Autorenduo" Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. mit "Jesus von Nazareth". Das Papstbuch über Jesus, das in 32 Sprachen übersetzt wurde und Rekordauflagen erreicht, hat überdies eine theologische Debatte ausgelöst, die in sich jüngst erschienenen Bände niederschlägt.

Breite Aufmerksamkeit für "neue Atheisten"
Mit dem üblichen transatlantischen Zeitverzug sind auch die "neuen Atheisten" mit ihren Manifesten gegen den Glauben auf dem deutschen Büchermarkt angekommen. Nach dem Pamphlet "Wir brauchen keinen Gott.
Warum man jetzt Atheist sein muss" des Franzosen Michel Onfray und Sam Harris' "Das Ende des Glaubens" im Vorjahr sind nun weitere Streitschriften von Religionskritikern auf Deutsch erschienen: von Christopher Hitchens liegt vor "Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet".

Und mit viel Mediengetöse wurde auch Richard Dawkins Buch "Der Gotteswahn", sogleich in die Bestsellerlisten befördert. Der in Oxford lehrende Biologe rechnet darin mit dem Vormarsch christlich-fundamentalistischer und radikal-islamischer Weltanschauungen, wie Kreationismus und "Intelligent Design" ab und pocht auf Rationalität. Nicht um Verunglimpfung von Glauben oder Verteufelung von Religion geht es Martin Urban. In seinem Buch "Wer leichter glaubt, wird schwerer klug" wirbt der Wissenschaftsjournalist für eine Kultur des Zweifels und geht damit auf Distanz zu kirchlichen Würdenträgern, die mit steilen Formeln gegen die Moderne zu Feld ziehen.