Das einzige, was über Ludwig van Beethovens Start ins Leben feststeht, ist sein Taufdatum, der 17. Dezember 1770. So bildet der Tag, an dem er in die katholische Kirche aufgenommen wurde, den terminlichen Dreh- und Angelpunkt für die Feiern zu seinem 250. Geburtstag. Und welche Rolle spielte Religion im weiteren Leben des Schöpfers der "Neunten"? Mit diesem Thema haben sich besonders der Kabarettist Konrad Beikircher und der Kirchenmusiker und katholische Priester Wolfgang Bretschneider befasst.
Aus dem Glauben heraus "gelebt, gekämpft, gearbeitet, Zeugnis gegeben"
"Die religiösen Werke gehören wesentlich zu Beethoven", sagt der emeritierte Professor für Liturgik und Kirchenmusikgeschichte Bretschneider. Doch nahm ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Interesse an diesen Kompositionen ab. "Sie passten nicht in die gesellschaftliche Landschaft der aufgeklärten Bürger, der freiheitsliebenden und selbstbewussten Menschen", so der Bonner Geistliche. Auch in vielen Beiträgen zum Jubiläumsjahr bestehe der Eindruck: Christlicher Glaube war für den emanzipierten Weltbürger Beethoven bedeutungslos geworden, so Bretschneider. Dabei habe der Komponist aus dem Glauben heraus "gelebt, gekämpft, gearbeitet, Zeugnis gegeben".
Als sein gelungenstes Werk betrachtete Beethoven nicht etwa eine seiner Sinfonien und Klaviersonaten, sondern die "Missa solemnis".Davon zeugt auch das berühmte Porträt von Joseph Stieler, auf dem sich Beethoven mit der Partitur der D-Dur-Messe malen ließ. Für die zwischen 1819 und 1823 komponierte "Missa" betrieb er intensive Forschungen in Theologie und Gregorianik, besorgte sich eine Übersetzung der lateinischen Texte, um sicherzugehen, dass die einzelnen Worte richtig vertont wurden.
Verbunden mit dem Glauben an die Kunst
Er wollte deren ursprünglichen Sinn erschließen für die Zuhörer - ob gläubig oder nicht, so Bretschneider. "Das tat er nicht rückwärtsgewandt, sondern nach vorne gerichtet. Dafür stand die sogenannte katholische Aufklärung", vergleichbar der Erneuerung der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), so der Theologe.
Der Kabarettist Beikircher, der sich auf der Bühne und in der Biografie "Der Ludwig - jetzt mal so gesehen" den großen Bonner vorgenommen hat, sieht es ähnlich: Ohne Aufklärung sei Beethovens Verhältnis zur Religion nicht zu verstehen. Der Glaube an das höhere Wesen, das "da oben über dem Sternenzelt existiert und alles zusammenhält, der war unerschütterlich in ihm", sagte Beikircher im Deutschlandfunk. Doch sei dieser nicht auf eine Konfession verengt gewesen - und verbunden mit dem Glauben an die Kunst.
"Vikar Beethoven"
Mit seinem Neffen Karl, dessen Vormund Beethoven nach langen Querelen in seinen letzten Lebensjahren war, habe er morgens und abends gebetet - "weil er ein guter Vater sein wollte", so Beikircher. Und mit der "Missa" wollte der Komponist "ein umfassendes Menschheitsbekenntnis zu Gott und zur überindividuellen Verantwortung schaffen".
Bereits mit zwölf Jahren war er stellvertretender Bonner Hoforganist mit dem Titel "Vikar Beethoven". In Wien war er kein Kirchgänger, hatte aber Kontakt zu Geistlichen, so Bretschneider. Vor seinem Tod am 26. März 1827 in Wien empfing Beethoven die Sterbesakramente und verlangte ausdrücklich eine katholische Beisetzung. Dass er auf dem Sterbebett gesagt haben soll: "Ich trotze euch feindlichen Mächten, weichet von mir, Gott ist mit mir", sieht Beikircher eher als emphatischen Ausruf. Schließlich sei er von Blitz und Donner aus dem Koma geweckt worden.
"Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre"
"Wer sich gründlich mit seinem Schaffen beschäftigt, ist erstaunt, dass das Thema Religion für den Aufklärer Beethoven ein permanentes war", fasst Bretschneider zusammen. "Es zog sich wie ein Roter Faden durch sein Leben und seine Werke, auch durch die sogenannten weltlichen." Mit Liedern wie "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" habe er große Wucht in die Kirche gebracht, so der Kabarettist Beikircher. "Das war Heavy Metal!"
"Die Leute sollen nicht weinen vor Rührung, sondern die Musik soll Feuer aus ihren Köpfen schlagen", zitiert Bretschneider den Komponisten. Beethoven habe sich Frieden und Menschlichkeit gewünscht - aber auf dem Fundament des Christentums.
Eher unchristlich handelte Beethoven dagegen beim Schlusschor der Neunten an den Sopranen, findet Beikircher. "Die stehen eine Stunde in der Gegend herum und dann müssen sie mit dem hohen A anfangen", so der Kabarettist. "Das ist aber wirklich eine Viecherei." Da hätte der Meister etwas mehr "Nächstenliebe" walten lassen sollen.