Tiefstand bei Geburtenrate in den USA

Nur wenig Unterstützung für junge Familien

In den USA bringen Frauen immer weniger Babys zur Welt. Trotz brummender Wirtschaft sank die Geburtenquote auf ein alarmierend niedriges Niveau. Pessimisten halten sogar schon "japanische Verhältnisse" für möglich.

Autor/in:
Thomas Spang
 (DR)

Die USA und Papua-Neuguinea haben im Umgang mit jungen Familien ein Alleinstellungsmerkmal. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) gibt es in beiden Ländern keinerlei staatliche Zuwendungen für werdende Eltern. Frauen haben in den USA nicht einmal Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub. Es sei denn, Kollegen spenden ihre eigenen Urlaubstage, die sie sich für den Fall der Fälle angespart haben.

Wenig Unterstützung von Arbeitgebern

Und auch die Arbeitgeber zeigen sich bei der Unterstützung ihrer Angestellten nicht gerade großzügig. Nur 56 Prozent der US-Unternehmen bieten freiwillig Urlaub für die Tage um die Geburt an. Laut einer Erhebung des "Guardian" zahlen von diesen nur sechs Prozent den vollen Lohn währenddessen weiter.

Einer von vielen Gründen, warum 2017 in den USA so wenig Kinder auf die Welt kamen, wie seit 30 Jahren nicht mehr. 3,8 Millionen Säuglinge erblickten das Licht der Welt - ein Minus von zwei Prozent im Vergleich zu 2016, so die nüchterne Bilanz des National Center for Health Statistics.

Besorgniserregender Trend

Der historische Tiefstand der Geburtenquote sei ein besorgniserregender Trend, warnen Demografen und Sozialwissenschaftler. Mit Auswirkungen für Staat und Gesellschaft.

Pessimisten halten sogar schon "japanische Verhältnisse" für möglich. Die Gründe für die Geburtenflaute sind so unterschiedlich wie zahlreich. Es fängt schon bei den medizinischen Kosten an, die in den USA mit rund 32.000 Dollar je Kindesgeburt höher liegen als in jedem anderen Land der Welt.

Sind die Kinder auf der Welt, fehlt es an Angeboten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bezahlbare Kinderbetreuung ist vielerorts Fehlanzeige. Die durchschnittlichen jährlichen Betreuungskosten für die Kids liegen bei knapp 9.600 Dollar. Schon 2014 stellte das Pew Research Center fest, dass in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem gering verdienende Mütter ganz zuhause geblieben sind, weil es sich kaum lohnte, arbeiten zu gehen.

Bei den Akademikerinnen machen sich auf der anderen Seite immer häufiger hohe Bildungsschulden als Hemmfaktor bemerkbar. Ein Bachelor-Abschluss kostet an einer öffentlichen Hochschule der USA heute im Schnitt 100.000 Dollar. Nur die wenigsten kommen ohne vierstellige Schulden aus ihrem Studium. Weil Frauen immer noch rund 20 Prozent weniger für gleiche Arbeit verdienen, fällt ihnen die Rückzahlung der College-Schulden besonders schwer.

"Vielleicht können es sich Frauen einfach nicht leisten, Mütter zu sein", stellt die "Washington Post" in einer Analyse fest. Die Konsequenz: Sie verschieben die Schwangerschaft - oft, bis es zu spät ist. Andere entscheiden sich für ein Einzelkind anstelle von zwei oder drei Geschwistern.

Langzeitbedrohung für die Gesellschaft

Neben diesen objektiven Hemmnissen sehen Forscher auch emanzipatorische Kräfte am Werk: Frauen haben heute mehr Wahlmöglichkeiten, meint die Soziologin von der Universität Maine, Amy Blackstone. Früher hätten sie sich dem sozialen Druck, dem Wunsch der Eltern oder den Erwartungen des Mannes gebeugt und hätten der Familie Kinder geschenkt.

Dabei möchte die Mehrzahl der gebärfähigen Frauen der USA durchaus Kinder haben. Statistisch gesehen wollen Frauen 2,7 Kinder großziehen. Tatsächlich sind es aber nur 1,8. Eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die seit Jahren immer größer wird, warnt der Demograph Lyman Stone.

Die sinkenden Geburtenzahlen, die sich über alle Altersgruppen erstrecken, stellen nach Ansicht von Experten für Staat und Gesellschaft eine Langzeitbedrohung dar. Die Konsequenz: Immer weniger junge Arbeitnehmer treten in den Arbeitsmarkt ein und zahlen in die Sozialsysteme, um die geburtenstarken Jahrgänge zu versorgen, die in Rente gehen.

Dass der demografische Abschwung der US-Gesellschaft nicht noch drastischer ausfällt, liegt an den gebärfreudigeren Einwanderern aus Zentral- und Südamerika. Die gegenwärtige Einwanderungspolitik trägt da wenig zur Entspannung der demografischen Probleme bei.


Quelle:
KNA