Sant'Egidio kritisiert Hinrichtung von Lisa Montgomery

"Tragische Entscheidung"

Die erste Frau seit Jahrzehnten wurde am Mittwoch auf US-Bundesebene hingerichtet. Die Proteste waren groß, bis zur letzten Minute. Die Gemeinschaft Sant'Egidio sieht dahinter ein größeres Problem - und hofft auf den neuen Präsidenten Biden.

Protest gegen die Hinrichtung von Lisa Montgomery / © Jeremy Hogan/SOPA Images via ZUMA Wire (dpa)
Protest gegen die Hinrichtung von Lisa Montgomery / © Jeremy Hogan/SOPA Images via ZUMA Wire ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es war die erste Hinrichtung einer Frau nach US-Bundesrecht seit fast 70 Jahren. Nun ist das Todesurteil gegen die 52-jährige Lisa Montgomery in Indiana per Giftspritze vollstreckt worden. Unterschiedliche Gruppen haben bis zuletzt versucht, die Exekution zu verhindern. Unter anderem auch deshalb, weil ein Antrag zur Aussetzung der Hinrichtung vorlag. Lisa Montgomery litt unter einer schweren psychischen Erkrankung. Auch Sant'Egidio kämpft schon lange gegen die Todesstrafe. Warum steht speziell diese Vollstreckung nun so im Fokus?

Matthias Leineweber (Katholische Gemeinschaft Sant'Egidio): Es ist einfach eine tragische Geschichte der Frau Lisa Montgomery, die eine sehr schwierige Lebensgeschichte hinter sich hat. Das entschuldigt natürlich nicht ihr grausames Verbrechen, das sie begangen hat. Aber ihre allgemeine Situation ist wirklich tragisch. Es gab so viele Menschen, die sich für sie eingesetzt haben und auch ihr Gesundheitszustand war wirklich sehr schlecht. Ein Richter hat noch diese Woche die Entscheidung gefällt, dass das nochmal zu überprüfen ist. Und dass da nicht zumindest abgewartet wird, bis es geklärt ist, macht uns wirklich wütend. Das ist eine tragische Entscheidung.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn versucht, das Steuer noch in letzter Minute herumzureißen und Lisa Montgomery zu retten?

Leineweber: Wir hatten verschiedene Kontakte zur Regierung. Es gab letztes Jahr einen Besuch vom US-Außenminister bei Sant'Egidio. Wir hatten dort persönlich an Trump appelliert, dass er die Todesurteile nicht vollstreckt, die auf Bundesebene verhängt wurden. Dann haben wir in den letzten Tagen eine Unterschriftenkampagne gestartet. Es wurden Tausende von Unterschriften weltweit gesammelt und das haben wir als Appell geschickt. Aber leider hat es letztendlich nichts bewirkt.

DOMRADIO.DE: 17 Jahre lang hatte die US-amerikanische Bundesjustiz niemanden mehr hinrichten lassen und dann kam Trump. Wie weit hat Trumps Amtszeit den Kampf gegen die Todesstrafe in den USA jetzt zurückgeworfen?

Leineweber: Also diese Entscheidung, auf Bundesebene die Hinrichtungen wieder einzuführen, ist wirklich eine traurige Entscheidung. Auch weil es eigentlich in den letzten Monaten erst gekommen ist. Das ist eine traurige Entwicklung, auch eine traurige Verabschiedung aus einem Amt, mit solchen Urteilen die Menschen dann noch hinzurichten.

Im Grunde genommen ist die Kampagne in den USA zur Abschaffung der Todesstrafe auf einem ganz guten Weg. Auch in den letzten Jahren haben Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft. Zum Beispiel Colorado und New Hampshire in den letzten beiden Jahren. Das heißt, es gibt immer mehr Bundesstaaten, die jetzt die Todesstrafe nicht mehr anwenden.

Es gibt auch viel weniger Todesurteile und Hinrichtungen auf Ebene der einzelnen US-Bundesstaaten. Das ist eine sehr positive Tendenz, die uns trotzdem jetzt auch weiter optimistisch stimmt. Auch mit einer neuen Amtsführung von Joe Biden hoffen wir, dass wir da weiter vorankommen.

DOMRADIO.DE: In den Vereinigten Staaten haben viele Bundesstaaten die Todesstrafe längst abgeschafft, andere halten an ihr fest. Wie spielt da jetzt die Bundesjustiz rein?

Leineweber: Es gibt einige besonders dramatische Fälle, die dann auf Bundesebene entschieden werden und wo dann auch der Präsident sozusagen der Ansprechpartner ist. Das sind ungefähr noch 50 Personen, die im Todestrakt sitzen und wegen ihrer Vergehen auf Bundesebene behandelt werden, also auf nationaler Ebene. Normalerweise ist die Justiz aufgeteilt auf die einzelnen US-Bundesstaaten.

DOMRADIO.DE: Hoffen Sie, dass die Debatte um die Todesstrafe mit dem Amtsantritt von Joe Biden jetzt eine positive Wende nimmt? Nimmt er vielleicht die Entscheidung von Trump bezüglich der Bundesjustiz wieder zurück?

Leineweber: Die Hoffnung besteht. Er hat sich in dieser Hinsicht geäußert und ist auch Katholik. Er möchte sich auch in die Richtung der katholischen Kirche bewegen. Die katholische Kirche hat die Todesstrafe aus dem Katechismus gestrichen und Papst Franziskus hat sich deutlich gegen die Todesstrafe geäußert. Er kennt Papst Franziskus noch aus seiner Zeit als Vizepräsident und hat gesagt, er möchte da auch in diese Richtung sich bewegen. Das stimmt uns sehr positiv und wir hoffen, dass möglichst von den Personen, die jetzt noch einen Termin bis zum 20. Januar haben, das Leben wenigstens geschont wird. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR
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