Trauerrednerin über Veränderungen in der Bestattungskultur

"Trauer wird bunter"

Bei Netflix sieht es einfach aus: In wenigen Schritten wird die Hauptfigur der Serie "Das letzte Wort" zur Trauerrednerin. Birgit Aurelia Janetzky geht diesem Beruf nach und spricht über kirchliche Rituale und individuelle Wünsche.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Frau Janetzky, was macht eine guten Trauerredner beziehungsweise eine gute Trauerrednerin aus?

Birgit Aurelia Janetzky (Trauerrednerin): Ich finde es unabdingbar, dass man sich mit den eigenen Trauererfahrungen auseinandersetzt. Wichtig sind zudem Empathie, ein wenig Wissen über Familiensysteme und -dynamiken und die Liebe zur Sprache. Die meisten, die meine Ausbildung durchlaufen, sagen im Anschluss, dass sich ihr Blick auf das Leben gewandelt hat. Wer offen ist und den Tod als zum Leben dazugehörend erlebt, verliert die Angst vor schwierigen Todesumständen und vor der Trauer. Diese Haltung gegenüber dem Tod und trauernden Menschen ist ein sehr wichtiger Aspekt, der im Gegensatz zum Aufbau einer Rede oder der Gestaltung des Vorgesprächs die Bereitschaft erfordert, sich persönlich zu entwickeln.

KNA: Worauf sollte man bei der Suche nach einem Trauerredner achten?

Janetzky: Es gibt inzwischen zahlreiche Angebote für Wochenend-Ausbildungen. Wenn ich einen Wochenend-Kochkurs mache, bin ich aber kein Koch, der im Restaurant arbeiten kann. Bei Trauerrednern ist das schwerer zu durchschauen. Insofern rate ich dazu, genau hinzusehen und nachzufragen, wie lange jemand schon in diesem Job arbeitet, wie derjenige vorgeht, ob es ein persönliches Gespräch geben wird. Wichtig ist, ein Gefühl für die Person zu bekommen: Wie sensibel ist sie, wie geht sie das Thema an, gefällt mir die Stimme? Die Entscheidung, ob man jemandem vertraut, hat viel mit diesem Empfinden zu tun.

KNA: Warum und in welchen Situationen wenden sich Menschen an Sie?

Janetzky: Wenn jemand gestorben ist und die Familie die Bestattung vorbereitet, dann kommt das Thema auf: Die verstorbene Person war nicht mehr in der Kirche - oder sie war noch in der Kirche, hatte aber keine Verbindung mehr dazu. Dann wünscht sich die Familie häufig etwas anderes als das religiöse Ritual. Leider sind diese Rituale oft nicht mehr nah am Menschen. Die Hinterbliebenen wollen mitgestalten, etwa die Musik spielen, die ihnen wichtig ist, und nicht mit einem Pfarrer über Musik diskutieren. Daher wählen auch Menschen, die noch in der Kirche sind, bisweilen einen freien Trauerredner.

KNA: Wie läuft das konkret ab?

Janetzky: Der Standardweg führt über den Bestatter. Manche Leute suchen auch selbst im Internet oder haben jemanden in Erinnerung, den sie auf einer früheren Trauerfeier überzeugend fanden. Zwischen der ersten Kontaktaufnahme und der Trauerfeier liegen meist nur ein paar Tage.

KNA: Ergeben sich manchmal längerfristige Kontakte?

Janetzky: In sehr seltenen Fällen. Als Rednerin habe ich für eine bestimmte Phase intensiven Kontakt mit den Menschen - und dann endet der Auftrag. Eine Kollegin hat mal gesagt: "Wir sind zu Gast in fremden Leben." Das hängt auch damit zusammen, dass ich die verstorbene Person in der Regel nicht kenne, keine Beziehung zu ihr hatte und selbst nicht um sie trauere. Meine Aufgabe ist es, den Abschied der Angehörigen empathisch zu begleiten.

KNA: Was machen Sie dabei anders als ein geistlicher Redner?

Janetzky: Es gibt einige strukturelle Unterschiede. Bei einer kirchlichen Bestattung ist die Kirche der Auftraggeber, bei freien Rednern sind es die Hinterbliebenen. Auch gibt es bei freien Rednern keinen vorgegebenen Ablauf, sondern der wird mit den Angehörigen erarbeitet. Das kirchliche Beerdigungsritual steht dagegen fest. Natürlich hat die Kirche zudem einen Verkündigungsauftrag, sie will den Auferstehungsglauben vermitteln und den Gedanken, dass wir im Tod von Gott begleitet sind. Dieser religiöse Aspekt kann bei freien Reden eine Rolle spielen, muss es aber nicht. Ich frage nach, ob die Hinterbliebenen beispielsweise ein Gebet sprechen möchten oder ob ein biblischer Text einfließen soll. Wenn man dagegen einen Pfarrer bitten würde, eine Rede zu halten, aber ohne religiöse Bezüge, dann müsste er diesen Auftrag ablehnen.

KNA: Auch die Bestattungskultur ist im Wandel begriffen. Wie erleben Sie diese Veränderungen?

Janetzky: Heute muss nicht mehr alles schwarz, dunkel und traurig sein. Viele wollen weg von antiquierter Sprache und gedämpfter Stimmung. Sie sehen die Trauerfeier als das letzte Fest, bei dem auch gelacht werden darf. Trauer wird bunter - zugleich muss man aufpassen, dass man den Menschen die Räume für das Dunkle und Verzweifelte nicht wegnimmt. Nur wenn die Erfahrung tiefer Traurigkeit ihren Raum bekommt, kann ein Prozess entstehen, in dem sich das Leben auch wieder wandelt. Die Kunst ist es, sich auf die Menschen einzustellen, Dunkelheit auszuhalten, sich aber auch nicht zu verschließen, wenn eine Familie am Grab einen Sekt aufmachen möchte. Diese Individualisierung, wie sich Trauer ausdrückt, nimmt zu.

KNA: Der Tod ist häufig ein Tabuthema. Wie nehmen Sie den Umgang mit den letzten Dingen wahr?

Janetzky: Es gibt eine gewisse Scheu, wenn Tod und Trauer den Menschen persönlich nah kommen. Ansonsten erlebe ich den Tod nicht als tabuisiert: Im Fernsehen und im Internet ist man ständig mit entsprechenden Bildern konfrontiert, in jedem "Tatort" gibt es eine Leichenschau - das ist eher ein Zuviel an öffentlichem, fernem Tod. Viele Menschen scheuen sich jedoch, über die eigene Sterblichkeit zu sprechen. Wer dann hineingeworfen wird, weil jemand im Umfeld stirbt, merkt allerdings oft, dass es gut tut, sich mit diesem Lebensbereich zu beschäftigen.

KNA: Könnte sich durch die Erfahrungen während der Corona-Pandemie etwas verändern?

Janetzky: Bei Trauerfeiern gibt es massive Veränderungen, etwa bezüglich der zugelassenen Teilnehmerzahlen. Es ist ein urmenschliches Bedürfnis, sich beim Abschied in den Arm zu nehmen und so Anteilnahme auszudrücken. Das nicht zu dürfen, ist für viele Menschen schwer - ich habe aber den Eindruck, dass die meisten damit inzwischen gut umgehen können, sich an Abstand und den Verzicht aufs Händeschütteln gewöhnt haben. Schwieriger ist die Sterbephase, wenn ein alter Mensch ins Krankenhaus kommt, seine Familie ihn aber nicht begleiten darf. Vereinsamung und Orientierungslosigkeit beschleunigen das Sterben mitunter sogar. Diese menschlichen Tragödien belasten die Familien sehr. Das Abschiednehmen ist für alle Beteiligten wichtig.

Das Interview führte Paula Konersmann.


Birgit Aurelia Janetzky / © Daniela Klein/Birgit Janetzky (KNA)
Birgit Aurelia Janetzky / © Daniela Klein/Birgit Janetzky ( KNA )

Frisch ausgehobenes Grab mit biologisch abbaubarer Urne im Friedwald / © Jörg Loeffke (KNA)
Frisch ausgehobenes Grab mit biologisch abbaubarer Urne im Friedwald / © Jörg Loeffke ( KNA )

Geschlossene Aufbahrung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Geschlossene Aufbahrung / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA