Trauermonat November: Die Farbe Grau hat viele Facetten

Von öde bis seriös

Ob Grauzone, Grauschleier oder graue Eminenz – die Farbe Grau ist vielseitiger, als man denkt. Es geht mit ihr politisch, seriös und künstlerisch. Aber auch lustig wie zum Beispiel in Loriots Filmkomödie "Ödipussi".

Autor/in:
Christoph Arens
Bergkapelle zwischen grauen Felsen / © Katharina Ebel (KNA)
Bergkapelle zwischen grauen Felsen / © Katharina Ebel ( KNA )

Regen, Nebel, Graupelschauer: Im Totenmonat November ist die Farbe Grau in vielen Teilen Deutschlands ziemlich dominant. Oft ist der Himmel grau, und das Meer auch - die hellen Stunden des Tages werden deutlich weniger, und die Bäume verlieren zusehends ihre letzten farbigen Blätter. Schlechte Laune, Depression und Tristesse sind programmiert. Alles grau in grau.

Grau ist nicht gerade eine beliebte Farbe. Die vom Lexikon so definierten "unbunten Farbtöne" zwischen reinem Schwarz und reinem Weiß stehen für Alter, Langeweile, Überdruss, Stillstand, Hoffnungslosigkeit und Verlassenheit. Grau beraubt die Dinge ihrer Strahlkraft und überzieht sie mit einem "Grauschleier".

Die grauen 500

Die Zahl der Grautöne - der shades of grey - ist riesig, wie schon Loriot in seinem Film "Ödipussi" ironsch darstellt. Farbkenner unterscheiden etwa zwischen asch-, stein-, beton-, maus-, rauch-, schiefer-, silber-, tauben- oder zementgrau. Rund 500 Grautöne kann das menschliche Auge unterscheiden.

Der Alltag ist bisweilen grau und bleischwer. Straßen, Industriegebiete und Wohnstädte seien meist grau in grau gestaltet, kritisiert der Vorsitzende des Deutschen Farbenzentrums in Wuppertal, Axel Buether. Während die Bildschirmwelten immer farbenvoller erschienen, entstünden im öffentlichen Raum immer mehr Grauzonen.

Tod und Vergänglichkeit

Grau erinnert an Tod und Vergänglichkeit: Allerseelen, Totensonntag und Volkstrauertag machen den November zu einem düsteren Monat. Geister werden auf Kunstwerken oft grau dargestellt, weil sie sich in einem Zustand zwischen Leben und Tod befinden. Pablo Picasso (1881-1973) verwendete in seinem Bild "Guernica" die Farbe Grau als Ausdruck des Grauens angesichts des Leids des Krieges.

Grau ist auch die Farbe des Unbestimmten: Die Grauzone ist die nicht genau definierte Zone zwischen Erlaubtem und Nichterlaubtem. Der graue Markt ist - anders als der Schwarzmarkt - noch nicht illegal. "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie ...", mahnt Mephisto in Goethes "Faust". Graue Mäuse verstecken sich lieber in der Masse. Feldgrau war im Ersten Weltkrieg die Tarnfarbe der Uniformen der deutschen Soldaten.

Politik und Kunst

Positiv steht Grau für Erfahrung, Würde, Sachlichkeit und Neutralität. Farbberater empfehlen Geschäftsleuten graue Anzüge, wenn sie in heiklen Verhandlungen vermitteln. Graue Haare bei Politikern, Schauspielern und Journalisten können Erfahrung und Abgeklärtheit signalisieren - siehe George Clooneys silbergraue Schläfen.

In Mode, Kunst, Design und Architektur ist Grau "in". Seit Jahren gehören Silber und Grau zu den beliebtesten Neuwagenfarben. 2015 wurden 28,7 Prozent aller Neuwagen wurden mit einer entsprechenden Lackierung ausgeliefert. "Grau ist sanft zu den Augen, da es eine ausgeglichene Mischung zwischen Kontrast und Blendung bietet", heißt es im Online-Magazin Farbimpulse. Grau sei eine beliebte Hintergrundfolie, durch die jeder andere Farbton in seiner Leuchtkraft zusätzlich gesteigert wird. Grautöne ließen sich gut mit kräftigen Farben kombinieren, um starke Akzente zu setzen.

Modern oder misstrauisch?

Auch die Zeitschrift "Schöner Wohnen" stilisiert Grau zur Trendfarbe bei Inneneinrichtungen. Warum? "Weil Grau einen Raum wärmt, es perfekt zu Weiß und Holztönen passt und unschlagbar modern und edel wirkt." Kein Wunder, dass auch Apple seine Smartphones und Ipods in Grau anbietet.

Gefürchtet - auf jeden Fall aber misstrauisch beäugt - werden die sogenannten Grauen Eminenzen. Gemeint sind damit Persönlichkeiten, die hinter den Kulissen die Strippen ziehen, ohne dass ihr großer Einfluss nach außen sichtbar wird. Der bildstarke Begriff geht auf eine historische Persönlichkeit zurück: den französischen Ordensmann Père Joseph (1577-1638), der als Berater und Beichtvater des mächtigen Kardinals Richelieu großen Einfluss auf die französische Politik gewann.

"Graue Eminenz"

Der Titel "Eminenz" war eigentlich den Kardinälen vorbehalten, und tatsächlich trug Kardinal Richelieu wegen seines roten Kardinalsgewands den Beinamen "rote Eminenz". Da lag es nahe, seinem engsten und in die graue Kutte des Kapuzinermönchs gekleideten Vertrauten mit "graue Eminenz" zu betiteln.


Aschenkreuz in grauer Asche / © Matthias Greve (KNA)
Aschenkreuz in grauer Asche / © Matthias Greve ( KNA )

Guernica Gemälde von Picasso (KNA)
Guernica Gemälde von Picasso / ( KNA )

Das neue Gotteslob / © Markus Hauck
Das neue Gotteslob / © Markus Hauck
Quelle:
KNA