Im westafrikanischen Benin ist im Alltag von der Corona-Pandemie nur noch wenig zu spüren. Seit Anfang Juni haben Kirchen und Moscheen wieder geöffnet. Einige Schulen unterrichten wieder. Restaurants und Bars haben ihren Betrieb aufgenommen. Die weiter bestehende Pflicht, im öffentlichen Raum Atemmasken zu tragen, wird von vielen ignoriert. Anders als noch bei der Einführung der Auflagen im April geht die Polizei längst nicht mehr dagegen vor.
Dabei steigen die Infektionszahlen wieder stark an. Am Dienstag gab es 902 bestätigte neue Fälle; in der Woche zuvor waren es noch 572 gewesen. Ein Grund dafür sind allerdings auch die erhöhten Testkapazitäten. Experten im Land warnen jedoch, dass die Spitze längst nicht erreicht sein dürfte. Benin müsse weiter gegen die Ausbreitung des Virus kämpfen.
Lange hatte Afrika gehofft, glimpflich davonzukommen. Für verhaltenen Optimismus sorgte die Weltgesundheitsorganisation WHO. Mitte April hatte sie noch prognostiziert, dass auf dem Kontinent bis zu 300.000 Menschen durch das Virus sterben könnten. Drei Wochen später korrigierte sie die Zahl auf 190.000 herunter.
Hoffnung machten zudem "afrikanische Lösungsansätze"
Im Institut Pasteur in Senegals Hauptstadt Dakar etwa wird an einem Corona-Schnelltest geforscht, der für einen Euro auf den afrikanischen Markt kommen soll. Aus Madagaskar stammt das Kräutergetränk "Covid Organics" - auf das die WHO zwar verhalten reagierte, das bei mehreren afrikanischen Staatschefs aber von Anfang an auf Interesse stieß. Auch der Erzbischof aus Kameruns Wirtschaftsmetropole Douala, Samuel Kleda, sprach sich für den Einsatz von Heilpflanzen im Kampf gegen Corona aus.
Bis heute verzeichnet Afrika nur rund 3,6 Prozent aller weltweiten bekannten Fälle. Zu Wochenbeginn warnten die Afrikanischen Zentren für Krankheitsbekämpfung und Schutzmaßnahmen (Africa CDC) allerdings vor einem rapiden Anstieg. Von der zweiten auf die dritte Juniwoche seien die Fallzahlen um 25 Prozent gestiegen. Im Schnitt würden täglich 9.078 neue Fälle verzeichnet.
Trotz Anstiegs der Corona-Infektionen gibt es Lockerungen
Dennoch kommt es überall zu Lockerungen der zuvor teils rigiden Einschränkungen. Sierra Leones Präsident Julius Maada Bio kündigte an, dass die Ausgangssperre künftig erst um 23.00 statt um 21.00 Uhr beginnt. In Burkina Faso sagte Regierungssprecher Remis Dandjinou laut "Burkina24" am Montag, die Grenzen würden "bald wieder geöffnet".
Gegen die Maßnahmen war in den vergangenen Wochen immer wieder demonstriert worden, auch weil sie sich zum Teil kaum umsetzen lassen. Die Mehrheit der Bevölkerung arbeitet im informellen Sektor und hat kaum Rücklagen. Vielerorts gelten die Einschränkungen auch als unverhältnismäßig.
Menschenrechtler kritisieren Pandemiemaßnahmen
Auch wird in mehreren Ländern die Brutalität der Sicherheitskräfte kritisiert. Im zentralafrikanischen Burundi werfen Menschenrechtler der Regierung vor, Fakten über den Ausbruch zu verschleiern und Meinungsfreiheit zu unterdrücken. "Die rücksichtslose Herangehensweise der Behörden an die Pandemie erhöht die Unsicherheit und Angst in einer bereits politisch aufgeladenen Atmosphäre", sagte am Mittwoch der Zentralafrika-Direktor von Human Rights Watch, Lewis Mudge. In Nigeria kritisieren Frauenrechtlerinnen, dass durch die Ausgangssperren Fälle von häuslicher Gewalt und Vergewaltigung in den vergangenen Wochen stark zugenommen hätten.
Eine enorme Herausforderung werden die wirtschaftlichen Folgen. Laut aktueller Studien verlieren afrikanischen Regierungen allein 2020 Einnahmen von rund 40 Milliarden Euro. "Covid-19 wird einen enormen Einfluss auf das Wachstum in Afrika haben", sagte der Gründer des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS), Jakkie Cilliers, der Deutschen Welle. Obwohl man sich "kurzfristig mit den Auswirkungen auf Gesundheit und Sterblichkeit befassen" müsse, unterstreiche das Szenario auch, wie wichtig eine Umstrukturierung der afrikanischen Volkswirtschaften für "ein viel schnelleres Wachstum" sei. Die Pandemie habe schon jetzt mehr als zwölf Millionen Afrikaner in extreme Armut getrieben.