Als Donald Trump Ende 2016 zum US-Präsidenten gewählt wurde, war die Euphorie in Israels Regierungslager und der politischen Rechten groß. Schon im Wahlkampf hatte Trump den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem versprochen, der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland schien der neue Präsident weniger abgeneigt als seine Vorgänger und europäischen Amtskollegen. Vor seinem ersten Besuch macht sich nun Unruhe breit.
Was, wenn es Trump ernst meint mit seinem ehrgeizigen Ziel, Frieden zu schaffen in einer Region, die sich im Status quo des Konflikts eingerichtet hat? Zusammen mit dem ersten Stopp Saudi-Arabien und einer Grundsatzrede Trumps zum Islam am Sonntag sowie dem abschließenden Halt im Vatikan steht seine erste Auslandsreise im Zeichen der drei großen Weltreligionen Islam, Judentum und Christentum. Toleranz sei "der Eckstein des Friedens", kommentierte Trump die Auswahl der drei Reiseziele.
Erster amtierender US-Präsident an Klagemauer
Am Montagmittag wird Trump laut dem offiziellen Programm in Israel landen und zunächst von Präsident Reuven Rivlin sowie abends von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu empfangen. Der zweite Teil seiner Reise führt den US-Präsidenten nach Bethlehem, wo er Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen und möglicherweise die Geburtskirche besuchen wird.
Anschließend, so heißt es in israelischen Medien, werde Trump die Jerusalemer Altstadt einschließlich der Klagemauer und der Grabeskirche besuchen. Das vom israelische Regierungspressebüro veröffentlichte Programm sieht ferner am Dienstagmittag eine Kranzniederlegung in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem vor, bevor Trump mit einer Rede im Israel-Museum in Jerusalem seinen Heiliglandbesuch beschließt.
Trump ist der erste amtierende US-Präsident, der die Klagemauer besuchen will. Dass dies offenbar ohne Begleitung seiner Gastgeber geschehen soll, sorgte in Israel vorab für diplomatische Verstimmungen, ebenso wie die zweifache Weigerung des US-Sicherheitsberaters Herbert Raymond McMaster, zu präzisieren, ob die USA die Klagemauer als Teil Israels ansehen.
Diskussionen um Geheimnisverrat
Für einen weiteren Eklat mit möglichen Auswirkungen auf seinen Besuch sorgte der US-Präsident vergangene Woche: Die von ihm an Russland weitergegebenen geheimen Informationen stammen, so berichteten US-Medien unter Berufung auf Regierungsmitglieder, offenbar aus israelischen Geheimdienstquellen.
Israels Rechte träumte zuletzt von freier Hand für die Besatzungspolitik, die Siedlerlobby von einem raschen Ausbau der Siedlungen. Stattdessen, so scheint es, könnte Trump sich nun von Stimmen herausgefordert fühlen, die betonten, die Lösung des Nahostkonflikts sei die schwerste Aufgabe, der er sich als US-Präsident stellen könne. Es sei ihm ernst mit der Friedensstiftung zwischen Israelis und Palästinensern, ließ US-Außenminister Rex Tillerson wenige Tage vor dem Besuch über seinen Chef verlauten.
Warnung Israels
Der US-Botschafter in Israel, David Friedman, legte nach und warnte Israel laut Medienberichten davor, Trump bei seiner Nahostpolitik Steine in den Weg zu legen. Den Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem, den Israel ebenso lang herbeisehnt wie die arabische Seite laut vor ihm warnt, will Trump laut Tillerson erneut auf den Prüfstein stellen. Der Friedensprozess dürfe durch einen solchen Schritt nicht gefährdet werden.
Netanjahus Reaktion kam prompt: Der Umzug schade dem Friedensprozess nicht, sondern würde ihn umgekehrt fördern, indem er "eine historische Ungerechtigkeit korrigieren und die palästinensische Fantasie zerschmettern würde, dass Jerusalem nicht die Hauptstadt Israels ist". Wie eine Charmeoffensive müssen dagegen Aussagen des Palästinenserpräsidenten Abbas nach seinem Besuch im Weißen Haus wirken: "Mit Ihnen, Herr Präsident, haben wir wieder Hoffnung." Unlängst erst erklärte Abbas, unter der Schirmherrschaft Trumps sei er zu einem Treffen mit Netanjahu bereit, und erntete von Trump Lob für seine «großartige Verhandlungsfähigkeit».
Prüfstein für Abbas und Netanjahu
Naiv, ignorant, ungeduldig: Vieles hat man dem US-Präsidenten vorgeworfen, und man hat ihn gewarnt, sich in die Liste derer einzureihen, die sich bislang vergeblich an der Lösung des Nahostproblems versucht haben. Doch Trump gibt sich selbstsicher: "Wir wollen Frieden herstellen. Wir werden es schaffen", sagte er im Anschluss an das erste Treffen mit Abbas in Washington.
Trumps Engagement könnte für Abbas und Netanjahu zum Prüfstein dafür werden, wie ernst sie es tatsächlich meinen. Für sie könnte viel auf dem Spiel stehen. Der US-Präsident hingegen kann mit seinem Versuch nur gewinnen. Scheitert er, so befindet er sich in guter Gesellschaft. Sollte er wider Erwarten Erfolg haben, wäre ihm ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Diese Aussicht wiederum könnte Trump zu Unerwartetem motivieren.