Ein Blick auf den Globus kann schon genügen, um das Anliegen des Papstes zu verstehen: Wir leben auf einem "blauen Planeten". 70,8 Prozent der Erdoberfläche sind von den Meeren bedeckt. Jetzt, im August, haben viele Leute mehr Gelegenheit, um Zeit am Meer zu genießen. Und es ist typisch für Franziskus, uns nun an diejenigen zu erinnern, deren Arbeitsplatz die Weltmeere sind. Wenn unzählige Urlauber - aus den allerstrengsten Pandemie-Beschränkungen vorläufig befreit - sich nun wieder an den Stränden tummeln, sollten wir also jene nicht vergessen, für die unsere Meere die Lebensgrundlage sind.
Offene Horizonte sind uns an den Stränden geschenkt. Sie können wunderbar helfen, auch unser Denken und Fühlen zu entgrenzen und uns im großen Ganzen aufgehoben zu fühlen. Der Dichter Thomas Mann aus Lübeck beschreibt sein Empfinden in folgenden Worten: "Das Meer ist keine Landschaft, es ist eine Erfahrung der Ewigkeit".
"Sonntag des Meeres"
Schon im Juni hatte Papst Franziskus Schiffsbediensteten und Fischern für ihren Einsatz in der Corona-Krise gedankt. "Lange Phasen an Bord ohne die Möglichkeit, an Land zu gehen, das Getrenntsein von Familie, Freunden, der Heimat, die Angst vor einer Infektion" - all das sei eine "schwere Last", sagte er in einer Videobotschaft. Nun hat der Vatikan zum "Sonntag des Meeres" am 12. Juli nachgelegt und erneut den entbehrungsreichen Dienst von Seeleuten weltweit gewürdigt.
Nun bittet der Papst alle Glaubenden, diese mit ins Gebet zu nehmen. Zunächst denkt Franziskus in seinem Gebetsanliegen an die Matrosen. Sie verbringen große Teile ihrer Lebenszeit getrennt von Heimat und Familie, wenn sie - berufsbedingt - überhaupt eine eigene Familien gründen konnten. Schiffsbesatzungen sind oft reine Männergesellschaften, die mit sehr speziellen Problemen wie Gewalt, Einsamkeit und Drogen fertig werden müssen. Zugleich tragen sie aus der Ferne ihren Teil dazu bei, dass wichtige Waren ganz selbstverständlich in unseren Geschäften bereitstehen.
Wenn Franziskus uns weiter an die "Fischer und ihre Familien" erinnert, kommen wir alle leibhaftig mit "ins Boot" - jedenfalls alle, die Fisch essen. Meerestiere und Meeresfrüchte sind als Nahrungsmittel etwas nachhaltiger und weniger problematisch als maßloser Fleischgenuss. Wenn allerdings die Weltmeere leergefischt und weiterhin mit Unmengen unserer Zivilisationsabfälle verschmutzt werden, droht den Fischern der Ruin. In der Folge geraten deren Familien und alle, die an der Weiterverarbeitung der Fangerträge mitwirken, in Existenznot.
Über unseren Horizont hinaus
Christliche Seeleute wissen, an wen sie sich in all ihren Sorgen - sei es bei Gefahren auf dem Meer oder Gefahren aus dem Meer - wenden können. Der heilige Nikolaus ist ihr Schutzpatron. Es gibt wohl kaum eine europäische Küste, an der ihm nicht Kirchen und Kapellen geweiht sind. Seine Reliquien in Bari an der süditalienischen Adria und unzählige Gotteshäuser auch im Binnenland halten die Erinnerung wach an den Bischof von Myra in Kleinasien. Nach dem Vorbild seines Meisters Jesus soll er Seeleute gerettet und Hungernde genährt haben.
Der Schutzheilige, den Seeleute seit Jahrhunderten anrufen, kann uns anregen, über unseren Horizont hinaus an die Mitmenschen in Not zu denken. Denn wir sehen an den maritimen Berufen sehr deutlich, wie abhängig wir doch alle voneinander sind.
Ist es eigentlich ein bloßer Zufall, dass die ersten Freunde Jesu in ihrer Mehrzahl Fischer waren? Sie lernten bei ihrem Meister, wie Vertrauen auf dem Wasser wachsen kann und dass sogar in Todesängsten Verlass auf den ist, der mit ihnen "in einem Boot sitzt" - selbst wenn er einmal zu schlafen scheint.