Eckart von Hirschhausen fordert mehr Engagement für Klima

"Überall da, wo die Kirche Einfluss hat"

Die Klimakrise stellt die Menschheit vor große Herausforderungen. Eckart von Hirschhausen hat dazu mit Fachleuten gesprochen und ein Buch geschrieben. Auch die Kirchen nimmt er in die Pflicht.

Dr. Eckart von Hirschhausen / © Julian Engels (privat)
Dr. Eckart von Hirschhausen / © Julian Engels ( privat )

DOMRADIO.DE: Was haben denn die Kirchen mit der Klimakrise zu tun?

Dr. Eckart von Hirschhausen (Moderator, Arzt und Buchautor): Die Kirchen haben sich drei Dinge auf die Fahnen geschrieben: die Bewahrung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit. Und Mutter Erde ist ja nicht nur im Metaphorischen unsere Mutter. Wenn wir nichts zu Atmen und nichts zu Essen und zu Trinken haben, dann können wir auf dieser Erde nicht weiter existieren.

Alle diese drei großen Bereiche sind massiv gefährdet, denn Mutter Erde hat - herzlich gesprochen - Fieber und das Fieber steigt, sie gehört auf die Intensivstation. Wir brauchen für dieses Thema jetzt oberste Priorität.

DOMRADIO.DE: Sie haben interessante Menschen getroffen für die Antworten auf die Fragen nach der globalen Krise und was sie für die Gesundheit von uns allen bedeuten. Zum Beispiel die Verhaltensforscherin Jane Goodall, Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker und Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Was ist das, was Sie von denen allen mitgenommen haben?

Hirschhausen: Es ist sehr umfangreich. Das ist nicht mein erstes Buch, aber sicher mein wichtigstes. Es könnte wirklich ein Gamechanger sein.

Wir haben die Klimakrise auch deswegen die letzten Jahre nicht ernsthaft bekämpft, weil wir das Gefühl hatten, das ist weit weg, zeitlich und räumlich. Wir haben gedacht, das sei ein Problem von Eisbären und der Meeresspiegel steige irgendwann um ein paar Zentimeter. Das waren alles mehr Rechenbeispiele als praktisch. Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns.

Als Christinnen und Christen finde ich es wichtig, dass dieses Thema auch eine große spirituelle Dimension hat. Es geht tatsächlich um viel Verantwortung, weil wir die letzte Generation sind, die überhaupt etwas daran ändern kann.

Ich habe mich zum Beispiel auch mit Klimawissenschaftlern am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung getroffen und beschäftigt. Hans Joachim Schellnhuber, Ottmar Edenhofer zum Beispiel, die auch maßgeblich dem Papst geholfen haben, den Teil von "Laudato si", der die Wissenschaft betrifft, korrekt hinzukriegen.

Es ist eindeutig, dass die Erde gut ohne uns kann, aber wir nicht ohne die Erde. Ich glaube, dass das den meisten Menschen noch nicht so klar ist, dass unser Budget, was wir überhaupt noch haben, um diese Grenzen nicht zu überschreiten, in den nächsten zehn Jahren aufgebraucht ist. Das entscheidet darüber, wie die nächsten 10.000 Jahre auf diesem Planeten laufen. Auf gut Deutsch: Wir machen uns gerade das Leben auf der Erde zur Hölle.

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie sehen da auch die Kirchen in der Pflicht. In Ihrem Buch schreiben Sie auch von ganz konkreten Punkten, an denen wir anpacken können. Können wir also den nächsten Schritt machen, nachdem wir Ihr Buch gelesen haben?

Hirschhausen: Auf alle Fälle. Es heißt ja "Mensch, Erde! - Wir könnten es so schön haben", weil ich das am christlichen Glauben so faszinierend finde. Wir haben eine positive Vision. Wir sind ja nicht nur Materialisten. Wir beten im Vaterunser "wie im Himmel, so auf Erden". Das ist spirituell gemeint, aber man kann sich das auch ganz konkret vorstellen.

Klimaschutz / © rangizzz (shutterstock)

Alles, was wir in den Himmel und in die Atmosphäre pusten, das fällt uns wieder auf die Füße. Wir emittieren Tonnen CO2 zum Beispiel auch durch, in meinen Augen, nicht mehr zu rechtfertigenden Kohleabbau und Kohleverstromung. Wir haben das Artensterben. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung. Wir sind Teil dieser Schöpfung und unser Job ist, sie zu bewahren.

Ganz konkret könnte sich jeder, der das hört überlegen: Bin ich bereit, einen kleinen Schritt zu gehen? Wen kennen wir, der ein bisschen mehr Macht hat als ich? Wen könnte ich anstupsen? Wen kann ich bewegen, der etwas bewegt?

Ich fordere auch von den Kirchen, dass sie viel konkreter Laudato si umsetzen. Die katholische Kirche ist ein großer Besitzer von Landflächen und von Agrarflächen. Warum ist das nicht Vorschrift, wenn man alles verpachtet, dass das ökologisch-nachhaltig angebaut wird?

Die spirituelle Dimension bedeutet, wir verbrauchen so viel, weil wir nicht wissen, was uns wirklich guttut, weil wir nicht wissen, was wir brauchen, verbrauchen wir so viel. Die Kirchen haben einen weltumspannendes Netzwerk. Sie haben vor allem im Kern ihre Nächstenliebe. Ich habe ein neues Wort, das heißt Übernächstenliebe. Das bedeutet, für die Generation, die noch kommen mögen, und auch für die, die uns nicht als Nächste vor Augen sind, sondern vielleicht im globalen Süden.

Wir müssen den Mund aufmachen, wir müssen politischer werden. Sowohl auf katholischer, wie auch auf evangelischer Seite sind alle Institutionen voll hinter dem Thema. Aber es kommt in den Gemeinden so nicht an, dass inzwischen auf jedem konfessionellen Kindergarten Solarpanels liegen. In den konfessionellen Krankenhäusern gibt es Drecksessen, wirklich billigstes Fleisch. Warum?

Warum können wir nicht überall da, wo die Kirche Einfluss hat, konsequent pflanzenbasierte Ernährung einführen? Warum beziehen wir nicht unsere ganzen Geldanlagen aus ethischen Banken? Es gibt so viel konkret zu tun. Und in diesem Sinne hoffe ich, dass viele sich inspiriert fühlen. Aber als Arzt weiß ich auch, erst die Diagnose, dann die Therapie. Also erst mal das Buch lesen, dann versteht man auch, warum es dringlich ist.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Enzyklika "Laudato si"

Klimawandel, Artenvielfalt, Trinkwasser: Diese Themen bestimmen die Umweltenzyklika von Papst Franziskus. Er wendet sich damit an "alle Menschen guten Willens" - und erklärt, warum eine ökologische Umkehr auch soziale Gerechtigkeit bedeutet. Papst Franziskus hat die reichen Industrienationen zu einer grundlegenden "ökologischen Umkehr" aufgefordert, um globale Umweltzerstörung und Klimawandel zu stoppen.

Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Deutsche Ausgabe der Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR