Ukrainischer Bischof spricht über seelische Belastungen

"Ein Krieg der Erschöpfung"

Die Bevölkerung der Ukraine steht vor dem Problem steigender Kriegstraumata, sagt Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk. Seine Kirche versuche, diese Menschen zu betreuen, aber auch viele Priester seien am Ende ihrer Kräfte.

Zerstörte Kirche in der südlichen Ukraine / © Drop of Light (shutterstock)
Zerstörte Kirche in der südlichen Ukraine / © Drop of Light ( shutterstock )

Wie das päpstliche Hilfswerk "Kirche in Not" am Montag in München mitteilte, sagte das Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine, dass inzwischen rund 80 Prozent der Menschen in der Ukraine körperlich oder seelisch verwundet seien. "Der Krieg, den wir jetzt erleben, ist nicht mehr nur ein direkter Angriff, sondern ein Krieg der Erschöpfung."

Swjatoslaw Schewtschuk / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Swjatoslaw Schewtschuk / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

 Spaltung der ukrainischen Gesellschaft

Der Großerzbischof sprach zudem von einer Spaltung der Gesellschaft: "Unser Volk, unsere Familien sind durch die Kriegserfahrungen zerrissen." Es gebe eine Trennung zwischen denjenigen, die das Land verlassen hätten, und denjenigen, die geblieben seien, zwischen Soldaten an der Front und ihren geflohenen Ehefrauen, zwischen der Ost- und Westukraine.

Die Versorgungslage sei aktuell katastrophal, besonders im Hinblick auf die Energieversorgung, fügte Schewtschuk hinzu. Derzeit seien schätzungsweise rund drei Viertel der Bevölkerung auf Generatoren angewiesen, um ihre Wohnungen heizen oder Stromanschlüsse nutzen zu können.

In der mehrheitlich orthodox-geprägten Ukraine gehören laut Mitteilung etwa vier Millionen Menschen der griechisch-katholischen Kirche an (Vorkriegsstand). Das entspricht etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die griechisch-katholische Kirche pflegt Ritus und Kirchenstruktur der Ostkirchen, steht aber in Einheit mit dem Papst. Die Zahl der Angehörigen der römisch-katholischen Kirche liegt bei unter einer Million.

Solidarität der europäischen Länder ist eine moralische Stütze

"Für die von der Kriegskatastrophe müde und krank gewordene ukrainische Gesellschaft war es sehr wichtig, die Solidarität der europäischen Länder zu spüren", sagte das Oberhaupt der mit Rom verbundenen Kirche, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, am Sonntagabend in seiner wöchentlichen Videobotschaft. Für diese Solidarität danke man den Völkern Europas.

Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk

"Aber diese offenen Türen sind für uns heute eine moralische Stütze; ein Trost, dass die Ukrainer in ihrem Freiheitskampf nicht alleingelassen werden"

Bis zum EU-Beitritt der Ukraine sei es noch ein weiter Weg, so Schewtschuk. "Aber diese offenen Türen sind für uns heute eine moralische Stütze; ein Trost, dass die Ukrainer in ihrem Freiheitskampf nicht alleingelassen werden mit dem russischen Aggressor, der stärker ist als wir", fügte er hinzu.

Ein EU-Gipfel in Brüssel hatte am Donnerstag die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der angrenzenden Republik Moldau sowie die Zuerkennung des Status eines Bewerberlandes für Georgien beschlossen.

Integration der der osteuropäischen Staaten sei von strategischer Bedeutung

Auch die Vertretung der katholischen Bischöfe in der EU hatte die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau begrüßt und zugleich zur Besinnung auf gemeinsame Werte aufgerufen. Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Bischof Mariano Crociata, sprach am Freitag in Brüssel von "historischen Beschlüssen" des EU-Gipfels. Er beglückwünschte auch Georgien zum EU-Kandidatenstatus und bekundete Hoffnung auf baldige Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. Crociata erklärte, eine erfolgreiche Integration der westlichen Balkanländer sowie der osteuropäischen Staaten sei "von strategischer Bedeutung für Stabilität, Wohlstand und Frieden auf dem europäischen Kontinent".

Die Vorsitzenden der EU-Bischofskommission COMECE

Nach der vierjährigen Amtszeit des Luxemburger Kardinals Jean-Claude Hollerich (64) wird der Italiener Mariano Crociata (70), Bischof von Latina-Terracina-Sezze-Priverno, achter Vorsitzende in der über 40-jährigen Geschichte der EU-Bischofskommission COMECE:

1. Franz Hengsbach, Bischof von Essen (1982-1984)

2. Jean Hengen, Erzbischof von Luxemburg (1984-1990)

3. Charles Amarin Brand, Erzbischof von Straßburg (1990-1993)

4. Josef Homeyer, Bischof von Hildesheim (1993-2006)

5. Adrianus Herman van Luyn SDB (87), Bischof von Rotterdam

(2006-2012)

Frühjahrsvollversammlung der COMECE / © Cristian Gennari/Siciliani (Comece)
Frühjahrsvollversammlung der COMECE / © Cristian Gennari/Siciliani ( Comece )
Quelle:
KNA