Ultraorthodoxe Juden in Israel sind jetzt wehrpflichtig

Keine Begründung für die Ungleichbehandlung

Jahrzehntelang waren ultraorthodoxe Religionsschüler in Israel vom Wehrdienst befreit. Doch das soll sich nach einem Urteil des Obersten Gerichst ändern: Es gebe "keine ausreichende juristische Grundlage" für diese Ungleichbehandlung.

Symbolbild: Ultraorthodoxe Juden / © Amateur007 (shutterstock)
Symbolbild: Ultraorthodoxe Juden / © Amateur007 ( shutterstock )

Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Israel sind auch ultraorthodoxe Religionsschüler wehrpflichtig. Die Richter fällten ihre Entscheidung einstimmig und wiesen in ihrem Urteil darauf hin, "dass es derzeit keine Rechtsgrundlage dafür gibt, die Rekrutierung von Jeschiwa-Studenten zu verhindern". Die Regierung müsse dafür Sorge tragen, die wehrpflichtigen Studenten einzuziehen.

Die Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof sahen demnach insbesondere vor dem Hintergrund "eines schwierigen und schmerzhaften Krieges" keine ausreichende juristische Grundlage für die Ungleichbehandlung von Studenten jüdischer Religionsschulen und anderen Wehrpflichtigen. In sogenannten Jeschiwas studieren alleinstehende Erwachsene religiöse Schriften in einer Schule, die einem Internat gleicht. Nicht betroffen vom neuen Urteil sind ultraorthodoxe Frauen, die häufig Haushalt und Kindererziehung übernehmen oder arbeiten, während die Männer studieren.

"Studium religiöser Schriften" zählt nicht mehr

Nach dem Urteil dürfen Jeschiwa-Studenten, die sich nicht bei der Armee einschreiben, keine staatlichen Subventionen mehr erhalten.

Kritiker sehen in der staatlichen Unterstützung schon seit langem eine ungerechte Belastung für den Rest der Gesellschaft. Ultraorthodoxe rechtfertigen das Vollzeitstudium religiöser Schriften als gleichwertigen Beitrag zu Israels Sicherheit.

Das Gesetz, das Religionsschüler von der Wehrpflicht befreite, war bereits vor Monaten ausgelaufen. Doch statt Einberufungsbescheide zu verschicken, hatte die rechts-religiöse Regierung an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der die bisherigen Ausnahmen weiter verlängern sollte. Seit Beginn des Gaza-Krieges am 7. Oktober 2023 waren mehrere Petitionen beim Obersten Gerichtshof eingegangen, die die Richter aufforderten, sich mit der umstrittenen Ausnahmeregelung zu befassen. In den vergangenen Monaten hatte es zudem zahlreiche Proteste von säkularen und religiösen Gruppen für und gegen die Ausnahmeregelung gegeben.

Das Urteil gilt als wegweisend, da es eine Ausnahmeregelung aufhebt, über die jahrzehntelang politisch und juristisch gestritten wurde. Die Entscheidung könnte zudem erhebliche Auswirkungen auf die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu haben.

Richter sehen schwerwiegende Diskriminierung

Aus Protest könnten streng-religiöse Parteien die aktuelle Koalition verlassen. Die Parteien "Schas" und "Vereintes Thora-Judentum" haben bereits damit gedroht.

Streng-religiöse Strömungen üben seit jeher Einfluss auf die Politik aus. Bereits der erste Premierminister Israels, David Ben-Gurion, stimmte einer Wehrpflichtbefreiung für Ultraorthodoxe zu, um politische Mehrheiten zu sichern. Damals handelte es sich um etwa 400 Jeschiwa-Studenten. Seit der Gründung Israels im Jahr 1948 ist ihre Zahl jedoch stark angestiegen.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Urteil wider. Darin heißt es, dass die Zahl der Jeschiwa-Studenten nach staatlichen Daten Ende Juni 2023 bei etwa 63.000 Personen lag. Die Richterinnen und Richter befanden: "In dieser Situation führt die Nichtdurchsetzung der Bestimmungen des Sicherheitsdienstgesetzes zu einer schwerwiegenden Diskriminierung zwischen denjenigen, die zum Dienst verpflichtet sind, und denjenigen, deren Einstellungsverfahren nicht durchgeführt werden." Eine nachhaltige Lösung für dieses Problem sei aktuell dringend, denn "inmitten eines schwierigen Krieges ist die Last der Ungleichheit akuter denn je".

Quelle:
epd