Umstrittene Finanzierung des Kirchenbaus im Mittelalter

Eine Kirche von den Kölnern für die Kölner

Eine Kathedrale zu bauen, ist ein schwieriges, langandauerndes und finanziell herausforderndes Projekt. In Köln gab es ein Finanzierungsmodell, dass über 100 Jahre funktioniert hat und am Ende sehr umstritten war.

Autor/in:
Christiane Laudage
Blick auf den Kölner Dom / © ilolab (shutterstock)

Die Kölner wissen: Wenn sie die Spitzen ihres Domes sehen, sind sie wieder zu Hause. Touristen kommen sogar aus der ganzen Welt, um das Gotteshaus zu besichtigen, das zum Weltkulturerbe zählt. Im Moment wird dort gefeiert. Denn vor 700 Jahren, am 27. September 1322, weihte Erzbischof Heinrich II. von Virneburg den Altar und den östlichen Bauteil des Doms - den Chorraum, in dem sich auch der Dreikönigenschrein befindet. Mit der Weihe wurde der erste große Bauabschnitt des Doms abgeschlossen.

Projektfinanzierung durch Großzügigkeit

"Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld?", heißt es in einem bekannten Kölner Karnevalslied. Die Frage hat Ewigkeitswert. Genau sie stellte sich auch das Kölner Domkapitel, als die Menschen damals den Bau einer neuen Kathedrale planten.

Das Domkapitel, Bauherr des Unternehmens, hatte ehrgeizige Pläne, orientierten sich die Beteiligten doch an den neuen, imposanten gotischen Kirchen in Chartres, Reims und Amiens. Um das Projekt zu finanzieren, setzten sie auf die Großzügigkeit der Menschen.

In Sachen Fundraising standen die Kirchen damals im Wettstreit. Entscheidend war die Frage: Wer hat die wichtigsten Reliquien? Die Menschen waren bereit, weite Wege auf sich zu nehmen, um die Reliquien von Heiligen zu verehren, auf deren Fürsprache sie hofften oder von denen sie sich ein Wunder wünschten. Für sie war eine Spende völlig selbstverständlich - zumal im Mittelalter die Unterstützung des Kirchenbaus zu den Werken der Frömmigkeit zählte.

Ablass für Spenden

Köln konnte gut mithalten: Schon damals rühmte sich die Stadt als "Hilliges Köln". Schließlich wurden in der Bischofskirche die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufbewahrt - die "noch den Herrn im Fleisch gesehen haben", wie es auf einem Werbeplakat für die Ablässe im Dom Anfang des 16. Jahrhunderts hieß.

Werbeplakat für Ablässe zum Unterhalt des Kölner Doms um 1517 / © UB Köln (KNA)
Werbeplakat für Ablässe zum Unterhalt des Kölner Doms um 1517 / © UB Köln ( KNA )

Im Gegenzug für ihre Spenden erhielten die Menschen einen Ablass. Damit konnten sich die Wohltäter des Doms eine Art Guthaben für das Jenseits erwerben. Das sollte ihnen helfen, die gefürchtete Zeit im Fegefeuer zu verkürzen oder möglichst ganz zu vermeiden.

Verschiedene Kölner Erzbischöfe, aber auch die Päpste stellten Ablässe aus, um die Spendenfreudigkeit der Menschen anzuregen und zu belohnen. Erzbischof Engelbert II. begann 1264 damit, Almosenfahrten in seiner Diözese zu organisieren. Er schickte also Beauftragte los, die in den Kirchen vor Ort den "Bettelbrief" des Erzbischofs verlasen und Spenden einsammelten. Dafür erhielten die Menschen Ablass, so wie man heute eine Spendenquittung für das Finanzamt erhält.

Reliquien auf Reisen

Diese Almosenfahrten wurden regelmäßig bis in die 1520er Jahre durchgeführt. Die Beauftragten führten dabei verschiedene Heiligtümer mit, unter anderem Reliquien des heiligen Antonius, der bei Vergiftungen durch Mutterkorn angerufen wurde oder des heiligen Hubertus, der als Schutzpatron gegen Tollwut helfen sollte. Für die Betroffenen war das in jenen Zeiten ohne ärztliche Grundversorgung oftmals die einzige Hoffnung.

Der Opferstock für die Armen steht in unmittelbarer Nähe zum Heiligen Antonius. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Opferstock für die Armen steht in unmittelbarer Nähe zum Heiligen Antonius. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Vor einigen Jahren wurde in der Kölner Universitätsbibliothek im Einband einer alten Handschrift ein Werbeplakat für die Ablässe im Kölner Dom gefunden, das aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts stammt. Ein solches Plakat (Ablasssummarium) wurde an verschiedenen Stellen im Dom aufgehängt, gerne direkt über einem Opferstock. In diese Opferstöcke warfen die Menschen nicht nur Geld, auch Ringe wurden in den Abrechnungen erwähnt.

Manfred Huiskes, langjähriger Archivar im Kölner Stadtarchiv, hat bei der Durchsicht der wenigen erhaltenen Abrechnungen der Domfabrik festgestellt, dass für die Finanzierung des Kölner Dombaus die Bettelfahrten von entscheidender Bedeutung waren. Die Spenden in den Opferstöcken waren allein längst nicht so ergiebig.

Reformation beendete das Modell der Domfinanzierung

Als die Reformation diese besondere Form der Schwarmfinanzierung - Ablass gegen Spende - als unmoralisch brandmarkte, blieb das nicht ohne Folgen für das katholische Köln: Auch dort ließ man sich nicht mehr mit Ablässen zu Spenden verleiten.

Nach Ausweis der Rechnungen für den Bau brach dieses Finanzierungsmodell Mitte der 1520er Jahre zusammen. Und der Kölner Dom blieb bis ins 19. Jahrhundert unvollendet.

Kölner Dombau

Für alle Arten von Baumaßnahmen und den Erhalt des Bauwerkes sind die Mitarbeiter der Dombauhütte zuständig. Damit setzen sie die Tradition der mittelalterlichen Bauhütten fort.

Heutzutage sind viele verschiedene Gewerke an dieser Arbeit beteiligt. Die größte Gruppe der ca. 60 Mitarbeiter bilden die Steinmetzen und Bildhauer, denn die Erneuerung des verwitterten Steinwerks ist die Hauptaufgabe der Dombauhütte. Hinzu kommen Dachdecker, Gerüstbauer, Schreiner, Maler, Elektriker sowie ein Schlosser und ein Schmied.

Steinmetzarbeit an der Dombauhütte / © Harald Oppitz (KNA)
Steinmetzarbeit an der Dombauhütte / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA