Ihre Blicke verraten erwartungsvolle Neugier, aber auch Angst, während Whitney Lasseter das bevorstehende Ritual erklärt. Acht Männer und Frauen bilden auf dem Wohnzimmerboden eines Privathauses in Austin (Texas) einen Kreis.
In Yoga-Stellung bereiten sie sich auf die Einnahme von Psychedelika vor: eine Kombination aus Magic Mushrooms und dem Gift einer Kröte aus der Sonora-Wüste im Südwesten der USA. Die Wirkung ist massiv: nach Übelkeit, Erbrechen und Aggressionsschüben erleben Nutzer einen Zustand, der mit Glückseligkeit beschrieben wird.
Erlebt hat dies Ernesto Londono, der ein Jahr lang über Drogenkonsum als sakrale Handlung recherchiert und darüber ein Buch geschrieben hat. Seinen Erfahrungsbericht publizierte kürzlich die "New York Times". Londono dokumentiert damit einen Trend, der sich unter dem Radar der Öffentlichkeit entwickelt habe.
Experten gehen von Hunderten sogenannter Drogen-Kirchen zwischen der Ost- und Westküste der USA aus. Deren Mitglieder kommunizieren über Social-Media-Kanäle und Mundpropaganda. Ihre Zeremonien halten sie demnach in Privathäusern oder Airbnb-Adressen ab, vorzugsweise in abgelegenen Regionen.
Neugierige und Abenteurer
Zu ihren Anhängern zählen neben Neugierigen und Abenteurern auch Kriegsveteranen mit posttraumatischen Symptomen, aber auch körperlich Kranke, bei denen herkömmliche Medikamente und Therapien zu keiner Linderung ihrer Gebrechen geführt haben. Sie erhoffen sich vom Drogen-Cocktail Heilung, suchen darüber hinaus eine spirituelle Erfahrung ohne Dogma.
Zur Erlangung der transzendentalen Erfahrung setzen die Gemeinschaften oft auf Ayahuasca oder Hoasca-Tee: einen dickflüssigen Trank mit halluzinogener Wirkung, den südamerikanische Ureinwohner am Amazonas schon vor Hunderten Jahren in religiösen Riten und zur Bewusstseinserweiterung zu sich nahmen. Der bittere Tee wirke wie ein LSD-Trip, berichten jene, die davon gekostet haben. Formen und Farben verschwimmen; stundenlange Visionen folgten, die viele als Albträume erlebten.
"Wir verwenden diese Medikamente, um uns mit dem Göttlichen zu verbinden", erklärt Whitney Lasseter, Gründerin der "All Tribe Medicine Assembly" von Austin, die sich als Kirche versteht. Durch das Hinzufügen von Religion verschieben sich die Grenzen zwischen bloßem Drogenkonsum und Spiritualität. Eine rechtlich kniffelige Angelegenheit, wie die Klagen zweier Gemeinden aus New Mexico und Oregon gegen die Drogenbekämpfungsbehörde DEA zeigen.
Drogen als Sakrament
Die Pioniere der Drogenkirchen hatten 2006 vor dem Obersten Gericht der USA das Recht erstritten, die Amazonas-Droge Ayahuasca in ihren Zeremonien als Sakrament einzusetzen. Der Supreme Court erklärte, der eigentlich verbotene Genuss von Ayahuasca und anderen Psychedelika sei im Rahmen eines religiösen Rituals erlaubt. Die von der US-Verfassung garantierte Religionsfreiheit sieht eine fast absolute Nichteinmischung des Staates vor.
Diesen Standpunkt vertritt auch Whitney Lasseter; es sei ihr Recht, "ihre Religion so zu praktizieren, wie sie es für richtig halten". Einige Forscher sehen das anders. Der unkontrollierte Konsum von Hoasca-Tee und anderen exotischen Drogen ohne ärztliche Begleitung sei unverantwortlich. Psychedelika griffen Gehirnfunktionen an, die im Zweifel eher schadeten, als therapeutisch zu nützen. Anthony Back, Medizin-Professor von der University of Washington School of Medicine in Seattle, sieht weiteren Forschungsbedarf. Das Wissen um die Auswirkungen von Psychedelika sei noch ziemlich begrenzt.
Die dem US-Justizministerium unterstellte Drug Enforcement Administration (DEA) beobachtet die Konjunktur der psychedelischen Kirchen mit Sorge, weil sie die an sich illegale Herstellung und Verbreitung von Substanzen in einen Graubereich hebt. Die US-Justiz behilft sich mit Pragmatismus. So schloss im April eine Drogen-Kirche in Phoenix (Arizona) einen Vergleich mit dem Justizministerium.
Die Betreiber dürfen demnach ihre bewusstseinserweiternden Cocktails als Sakrament verabreichen. Ein ehemaliger DEA-Mitarbeiter erklärt das der "New York Times" mit einem Dilemma, vor dem die Regierung stehe. Man wolle "nicht in der Position sein zu entscheiden, was eine echte Religion ist".