Mit eindringlichen Appellen zum Schutz von Kulturgütern vor Kriegen und Extremismus hat in Bonn die Tagung des Unesco-Welterbekomitees begonnen. Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova beklagte am Sonntagabend die Vernichtung von Kulturstätten in Syrien, Irak, Libyen, Jemen und Mali. "Wir sehen die brutale und gezielte Zerstörung von Welterbe in ganz neuem Ausmaß", sagte die Leiterin der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Bokova rief mit Blick auf die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die in Nahost bereits zahlreiche antike Ruinen und Kunstgegenstände zerstört hat, zum Handeln auf. Die Vernichtung von Stätten, die für die ganze Menschheit bedeutsam seien, sei Teil der aktuellen humanitären und sicherheitspolitischen Krise. Der Schutz von Kulturdenkmälern könne nicht vom Schutz der Menschenrechte abgekoppelt werden. Darüber hinaus warnte die Unesco-Generaldirektorin vor dem Schwarzmarkthandel mit gestohlenen Kulturgütern. Damit werde Extremismus finanziert, erklärte Bokova.
Merkel: Welterbe befördere das Verständnis für andere Religionen und Kulturen
Auch die Vorsitzende des Unesco-Welterbekomitees, Maria Böhmer (CDU), warnte: "Das Erbe der Menschheit wird geplündert und zerstört." Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt verwies auf Aleppo, Nimrod, Sanaa und andere Orte im Nahen Osten, die einst "stolze Orte der Kultur" gewesen seien. Heute seien sie jedoch Orte des Schreckens, erklärte Böhmer. "Das Wüten von Terrororganisationen wie IS übersteigt unsere Vorstellungskraft, auch wenn es um Welterbe geht", sagte sie.
Gegen die Zerstörung gelte es, die gemeinsamen Werte der Menschheit zu verteidigen, mahnte Böhmer. Das Welterbe sei eine Basis für den Zusammenhalt von Menschen und stifte Identität. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in einer kurzen Videobotschaft an die Delegierten, dass das Welterbe das Verständnis für andere Religionen und Kulturen befördere.
36 Nominierungen für Welterbeliste
Das Unesco-Welterbekomitee tagt bis zum 8. Juli in Bonn. Das Gremium überwacht den Erhaltungszustand der bislang 1.007 Naturregionen und Kulturstätten auf der Welterbeliste. Außerdem werden neue Stätten für die Liste benannt. Es liegen 36 Nominierungen vor. Für Deutschland sind das Kontorhausviertel und die Speicherstadt in Hamburg sowie der Naumburger Dom samt Umgebung vorgeschlagen. Zudem hat Deutschland gemeinsam mit anderen Staaten mehrere Wikinger-Stätten nominiert.
Vor dem Konferenzgebäude protestierten zum Auftakt der Tagung Umweltschützer gegen die fortschreitende Zerstörung des Great Barrier Reef. Das weltbekannte Korallenriff ist ebenfalls auf der Welterbeliste geführt. Klimatische Veränderungen und Industrieprojekte in Australien gefährden den Umweltschützern zufolge das einzigartige Ökosystem.