Ungewöhnliche Vorbereitung auf Weihnachten

Weihnachtslieder im Planschbecken

An Heiligabend sind die Kirchen normalerweise voll, doch dieses Jahr herrscht Corona. Eine Mainzer Kirchengemeinde war weitsichtig: Jugendliche haben das Krippenspiel schon im August gespielt - mit Spaß. 

Autor/in:
Jens Bayer-Gimm
Aufnahmen für den Online-Weihnachtsgottesdienst in der Philippus-Gemeinde in Mainz Gitarre (epd)
Aufnahmen für den Online-Weihnachtsgottesdienst in der Philippus-Gemeinde in Mainz Gitarre / ( epd )

Es muss ein lustiges Bild gewesen sein, der Pfarrer Gitarre spielend auf einer Luftmatratze im Planschbecken. Wegen Weihnachten. "Wer weiß, was dann sein wird", fragte sich Sascha Heiligenthal im Sommer. "Wir müssen vorproduzieren." Der Pfarrer der evangelischen Philippus-Gemeinde in Mainz war hellsichtig - das Proben eines Krippenspiels wäre seit November angesichts der Corona-Kontaktbeschränkungen nicht mehr möglich. Ehemalige Konfirmanden waren rasch bereit, im August das Krippenspiel mal anders zu proben - in kurzen Hosen und T-Shirts.

Mit einem zweiten Gitarristen spielte Heiligenthal Lieder wie "I wish you a merry Christmas" oder "Als ich bei meinen Schafen wacht" im Planschbecken ein, die Tochter hielt das Aufnahmegerät. "Weihnachtsklassiker mit leichtem Wellenrauschen", findet der Pfarrer. "Das trägt zu einem entspannten Sound bei." Die Gitarre sei nicht ins Wasser gefallen - "gefährlich war nur das Ein- und Aussteigen". Auch keine Schwierigkeiten hatte er, sich bei der Hitze mit dem Weihnachtsfest zu befassen. "Ich pfeife auch sonst im Hochsommer 'O du fröhliche' und bereite meine Weihnachtsgottesdienste vor", berichtet der Theologe. Der Sommer komme der Weihnachtsstimmung entgegen: "Er ist eine ruhigere Zeit als der hektische Advent."

Aus der Not eine Tugend gemacht

Seit Beginn der Corona-Kontaktbeschränkungen im Frühjahr engagiert sich die Philippus-Gemeinde stark für die Online-Übertragung ihrer Gottesdienste, Musik und weiteren Aktivitäten. Für die Aufnahme des Krippenspiels kamen Jugendliche in der letzten Ferienwoche zusammen. "Es ist anders, vor der Kamera aufzutreten als vor 300 Gottesdienstbesuchern", erklärt Heiligenthal. "Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht." Die 15-Jährigen spielten diesmal im Keller der Gemeinde ohne klassische Rollen und Auswendiglernen von Texten, sondern spontan ihre eigene Persönlichkeit. "Sie sollten um das Krippenspiel ringen, streiten, den Bibeltext kritisch befragen und überlegen, was Weihnachten bedeutet", erläutert der Pfarrer.

"Ich war zuerst überrascht, im Sommer ein Krippenspiel spielen zu sollen, aber dann hat es Sinn gemacht", findet Cecilia Weyell. "Ohne Auswendiglernen war es entspannter." "Es war realistisch, wir haben uns selbst gespielt», sagt Leonard Velte. "An Weihnachten geht es ja nicht um den Winter, es geht um die Geburt Jesu." Greta Spieß setzt dagegen: "Letztes Jahr war es viel schöner, da gab es viel mehr von der Weihnachtsgeschichte. Jetzt ist es nicht so feierlich." Cecilia wendet ein: "Aber kreativ waren wir schon, ich fand es interessant."
Das von dem Pfarrer gesetzte Thema beschäftigt die Jugendlichen.

Krippenspiel, Weihnachtsgottesdienst und viel Musik

"Man sollte hinterfragen, was richtig und falsch ist", findet Greta. "Man sollte der ursprünglichen Quelle trauen", meint Cecilia. "Nicht alles, was in der Bibel steht, kann man wörtlich nehmen", ist Leonards Meinung. "Die Botschaft zählt." Alle sind sich jedenfalls einig: "Es hat Spaß gemacht, improvisieren zu können." Die Fragen, die die Jugendlichen aufwerfen, werde er in der Weihnachtspredigt aufnehmen, sagt Heiligenthal. Jede Krise wie Corona bringe Dinge deutlicher zutage, etwa, wer wirklich die Leistungsträger der Gesellschaft sind wie die Pflegekräfte, oder was man wirklich zum Leben braucht. An Weihnachten werde deutlich, dass die Menschen jemanden brauchten, der ihnen nahekommt, dass Gott wie ein Partner Hilfe anbiete.

Nicht nur die Übertragung des Krippenspiels ist aus der Philippus-Gemeinde an Weihnachten zu Hause anzusehen, auch der klassische Weihnachtsgottesdienst ist schon auf Video aufgenommen - "und jede Menge Weihnachtsmusik", sagt Heiligenthal. Die Gemeindeband, Sänger und Musiker nehmen regelmäßig Stücke auf. Einige Weihnachtslieder will der Pfarrer mit der Band noch "dreckig einspielen", im Sound der Toten Hosen und Ramones. Aber auch in der Kirche passiert etwas: Im Blick auf die Corona-Lage plant die Gemeinde für Heiligabend zwölf Kurzgottesdienste zwischen 11 und 23 Uhr im Stundentakt - gehalten von dem Pfarrer-Ehepaar, Mitarbeitern und Jugendlichen.

Die Krise habe der Kirchengemeinde neue Impulse zum Wachstum gegeben, findet Heiligenthal. "Für alles, was nicht funktioniert, machen wir eine Sache, die funktioniert." So habe die Gemeinde einen neuen Chor gegründet, die Band erweitert und ein Technikteam
formiert. Allein auf Youtube würden die Aufnahmen wöchentlich von rund 100 Menschen komplett angesehen, auf anderen sozialen Netzwerken 1.000 bis 3.000 mal angeklickt. Auch auf die im Sommer aufgenommene Online-Fassung des Krippenspiels ist der Pfarrer stolz: "Wir haben einen Motivationsschub bekommen, aus dem Quarantänequark herauszukommen."


Quelle:
epd