Troposphären-Forscher Macke über die Faszination für Wolken

"Unglaublich, was der Himmel an Bildern zaubert"

Leuchtende Farben oder Grautöne, dicht getürmt oder hauchzart: Wolken kommen in den unterschiedlichsten Ausprägungen daher. Andreas Macke untersucht die Himmelsgebilde seit Jahrzehnten. 

Autor/in:
Paula Konersmann
Wolken sehen unterschiedlich aus / © Harald Oppitz (KNA)
Wolken sehen unterschiedlich aus / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Herr Professor Macke, idyllische Schäfchenwolken oder aber finstere Gewitterwolken - was ist Ihnen als Forscher lieber?

Andreas Macke (Direktor des Leibniz-Instituts für Troposphären-Forschung in Leipzig): Ganz klar die Cirruswolken, auch bekannt als Eiswolken. Das sind Wolken so in zehn Kilometern Höhe, die aus Eiskristallen bestehen. Diese Eiskristalle sind sehr schön, man kann sie allerdings mit bloßem Auge nicht sehen. Dafür sind sie zu weit weg. Aber man kann die optischen Erscheinungen erkennen, wie Halo Lichteffekte. Über diese Phänomene habe ich promoviert - und bin an diesen Wolken hängen geblieben.

KNA: Also können Sie die Faszination für Wolken nachvollziehen, auch wenn Sie sich ständig mit ihnen beschäftigen?

Macke: Es ist unglaublich, was der Himmel an Bildern zaubert. Wir schauen allerdings fast nie hin - das ist schade. In England sitzt die «Cloud Appreciation Society», die vor allem den ästhetischen Aspekt betrachtet. Sie prämieren etwa Bilder des Monats und versuchen so, die Schönheit von Wolken in den Vordergrund zu rücken.

KNA: Die vergangenen Monate waren trocken, und viele Menschen haben den Eindruck, dass die Wolken «verschwinden». Stimmt das?

Macke: In den letzten drei Jahren gab es Dürreperioden, abgelöst von starken Regenperioden - aber nicht mehr oder weniger Wolken. Das hat sich nicht großartig verändert, auch wenn es von Jahr zu Jahr Schwankungen gibt. Dennoch ist die Klimaveränderung höchstwahrscheinlich eine Ursache dafür, dass wir extremere Wetterlagen erleben.

KNA: Welche Rolle spielen Wolken denn überhaupt für den Klimawandel?

Macke: Das ist eine sehr komplexe Frage. Wolken sind das große Fragezeichen in der Klimaforschung. Das liegt an ihrer Vielfältigkeit: Ein Tiefdruckgebiet, das mehrere tausend Kilometer groß ist, kann man als Wolke bezeichnen - und eine Schäfchenwolke genauso. Diese unterschiedlichsten Arten von Wolken verändern sich innerhalb von Minuten. Das kann ein Klima-Modell kaum darstellen - muss es aber, um die Zusammenhänge richtig abzubilden. Es gibt viele Annäherungen, aber die Modelle unterscheiden sich oft in dem, wie sie das Spektrum der Wolken einbeziehen.

KNA: Dass Wolken etwas ausmachen, steht also fest?

Macke: Sie sind so wichtig, weil die gesamte Sonnenstrahlung durch die Wolken hindurch zum Boden muss. Die Erde ist zu zwei Dritteln mit Wolken bedeckt, also müssen zwei Drittel der Sonnenstrahlung durch sie hindurch, um für Wärme zu sorgen. Umgekehrt müssen zwei Drittel der Wärmestrahlung der Erde wieder zurück durch die Wolken. Dieser Strahlungstransport ist aufgrund der Variabilität der Wolken schwierig zu behandeln.

KNA: Wie gut sind Wolken ansonsten erforscht?

Macke: Wir wissen schon sehr gut, wie sich die globale Bewölkung verteilt. Seit dem Ende der 70er Jahre messen Satelliten kontinuierlich, wo welche Wolken auftauchen. Was wir aus diesen Messungen herausholen, ist immer noch sehr grob, weil wir die räumliche Struktur der Wolken nicht ausreichend berücksichtigen können. Ihre Dreidimensionalität wird sich erst in zwei bis drei Jahren ermessen lassen - dann soll es neue Satelliten geben, die eine kleine Revolution in der Wolkenforschung bringen könnten.

KNA: Welchen Einfluss hat umgekehrt der Mensch auf die Wolken?

Macke: Wir sehen eher triviale Einflüsse wie Kondensstreifen oder Schiffsspuren: Hinter Schiffen sind die Wolken heller, weil die Schiffe Partikel verlieren, die zu mehr Wolkentröpfchen führen. Beide Phänomene sind an sich nicht schlimm, aber wenn aus diesen Partikeln Eiswolken werden - von Menschen gemachte Wolken -, können die einen Effekt haben. Der ist zumeist erwärmend, steigert also die Klimaerwärmung. Andererseits ist der globale Flugverkehr noch nicht so massiv, dass er eine entscheidende globale Steigerung dieses Wolkentyps verursacht. Wir sehen den Effekt des Menschen also, er ist aber noch relativ gering.

KNA: Stichwort Klimawandel: Erhoffen Sie sich von der Corona-Pandemie gewisse Impulse, etwa durch sinkenden Verkehr?

Macke: Ich bin eher skeptisch. Wir messen Partikel in der Atmosphäre, also Aerosole, und haben uns die Lockdown-Zeit besonders angesehen. Bei den Emissionen sind keine gravierenden Veränderungen zu beobachten. Die wenigen Tage, in denen der Verkehr deutlich reduziert war, haben nicht viel gebracht, und zudem hat die gesamte Industrie ungestört weiter produziert.

KNA: Aber vielleicht im Bewusstsein der Menschen?

Macke: Die Extreme im Wetter nehmen zu, auch die Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Natur. Das sollte uns zu denken geben. Der Umgang mit der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sinnvolles Bekämpfen durch Beschränkungen funktionieren kann - auch wenn diese Maßnahmen stark kritisiert werden. Komischerweise ignorieren viele Menschen die Klimaveränderungen, die noch verheerender sind - vielleicht, weil man sie nicht unmittelbar an Todeszahlen ablesen kann. Die Dramaturgie ist im Klimageschehen langsamer, und das macht es schwerer, ein Bewusstsein zu wecken. Aus dem Vorbild der Pandemie-Bekämpfung könnte man dafür jedoch lernen.


Quelle:
KNA
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