Ungleichheit steht im Zentrum des Weltwirtschaftsforums Afrika

Armut trotz Boom

Kaum eine Region wächst so schnell wie Afrika. Doch der Großteil der Bevölkerung ist vom Boom ausgeschlossen. Für das an diesem Mittwoch beginnende afrikanische Weltwirtschaftsforum ist diese Frage die größte Herausforderung.

Autor/in:
Markus Schönherr
Herausgeputzt für das afrikanische Weltwirtschaftsforum / © Gian Ehrenzeller (dpa)
Herausgeputzt für das afrikanische Weltwirtschaftsforum / © Gian Ehrenzeller ( dpa )

Mit einem Ruf nach einer "menschlicheren Wirtschaft" ist an diesem Mittwoch in der südafrikanischen Hafenstadt Durban das 27. afrikanische Weltwirtschaftsforum (WEF on Africa) gestartet. Laut der Hilfsorganisation Oxfam haben von dem jüngsten Wirtschaftsboom nur 20 Prozent der Afrikaner profitiert. Der Rest friste weiter in Arbeits- und Perspektivlosigkeit. "Ungleichheit behindert Wachstum und droht, die Fortschritte zunichtezumachen, die in den vergangenen Jahren gegen Armut erzielt wurden", so Oxfam-Direktorin Winnie Byanyima.

Dreitägiges Event

Zu dem dreitägigen Event werden mehr als 1.000 Politiker, Ökonomen und Unternehmer aus rund 100 Ländern erwartet, darunter auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Obwohl Oxfam das diesjährige WEF mitorganisiert, übte die Organisation Kritik: "Wir denken nicht, dass die Delegierten die richtigen für die Diskussionen sind. Für eine fruchtbare Debatte bräuchte es die Meinungen von Durchschnittsbürgern", so Oxfam-Ökonom Thembinkosi Dlamini.

Vor dem Konferenzgebäude kam es zu Protesten. Mit Bannern forderte die Gruppe "Volkswirtschaftsforum" eine gerechtere Aufteilung von Reichtum und warnte, der Kontinent stehe "nicht zum Verkauf". Gastgeber Südafrika gilt als Musterbeispiel für die negative Entwicklung, die einen Großteil der Bevölkerung von Wachstum ausschließt. In Afrika besitzt die Kap-Republik die stärkste Wirtschaft.

Zugleich stuft die Weltbank das Land aber als den Staat mit der ungerechtesten Einkommensverteilung der Welt ein. Demonstranten beklagten, drei südafrikanische Milliardäre besäßen genauso viel wie die ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung.

Zentrales Thema Jugend

Ein weiteres zentrales Thema beim WEF ist die Jugend. Mit 200 Millionen Minderjährigen lebt in Afrika die jüngste Bevölkerung weltweit. "Wir werden von diesem hohen Bevölkerungswachstum profitieren, wenn junge Afrikaner gebildet und gesund sind und als aktive Bürger am Arbeitsmarkt teilnehmen", sagte Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma am Rande des WEF.

Doch gerade der im kontinentalen Vergleich wirtschaftlich hochentwickelte Gastgeber hat Nachholbedarf: Schätzungen gehen davon aus, dass 2016 jeder zweite junge Südafrikaner im arbeitsfähigen Alter keinen Job hatte. Oxfam rief die Regierung in Pretoria auf, nicht länger bloß über "radikale Wirtschaftsreformen" zu sprechen. In Durban müsse sie konkrete Pläne auf den Tisch legen.

Doch die Investoren in Durban dürften schwer zu überzeugen sein: Regelmäßig gab es in Südafrika zuletzt Massenproteste und Rücktrittsforderungen gegen Zuma. Nach dessen Entlassung des beliebten Finanzministers Pravin Gordhan fiel die Landeswährung Rand im April drastisch ab. Zwei Rating-Agenturen stuften Südafrika auf Ramsch-Niveau herab. Für Südafrikaner bedeutet dies unter anderem steigende Benzin- und Lebensmittelpreise.

Laut Oxfam sieht die Bilanz auf dem übrigen Kontinent kaum besser aus. In Äthiopien sprießen die Hochhäuser, in Nigeria fließt das Öl.

Arbeitsplätze sind rar

Dennoch warteten die Massen weiter verzweifelt auf Arbeitsplätze und ein Leben abseits der Slums. So lebten heute 50 Millionen mehr Afrikaner in extremer Armut als noch 1990. In den kommenden 15 Jahren könnte diese Zahl um weitere 350 Millionen steigen. Dies liege vor allem daran, so Oxfam, dass der Kontinent in der Weltwirtschaft ein "benachteiligter Lieferant von billiger Arbeit, Mineralien, Öl und leicht zugänglichen Märkten" bleibe.

Etliche Delegierte betonten, in puncto Armutsbekämpfung künftig stärker kooperieren zu wollen. "Afrika ist eine Ansammlung vieler Einzelstaaten. Wenn wir zusammenarbeiten, ist unser Potenzial riesig", so eine Vertreterin aus Simbabwe. Um dieses Potenzial in Entwicklung zu verwandeln, müssten internationale Partner mit ihrer Expertise helfen.

Auch Oxfam-Direktorin Byanyima forderte Afrikas Staatsoberhäupter zu einem Umdenken auf: "Wir sollten aufhören, die fehlerhaften Strategien von Europa und den USA nachzuahmen", meint die gebürtige Uganderin. "Der Kontinent braucht ein neues Wirtschaftsmodell, das für alle Afrikaner funktioniert - und nicht bloß für wenige Glückliche."


Wolfgang Schäuble / © Filip Singer (dpa)
Wolfgang Schäuble / © Filip Singer ( dpa )

Textilfabrik in Äthiopien / © Kay Nietfeld (dpa)
Textilfabrik in Äthiopien / © Kay Nietfeld ( dpa )

Nigerianische Armee kämpft gegen Boko Haram / © Nigerian Army / Handout (dpa)
Nigerianische Armee kämpft gegen Boko Haram / © Nigerian Army / Handout ( dpa )

Goldmine in Südafrika / © Harmony Mines / Philip Mostert (dpa)
Goldmine in Südafrika / © Harmony Mines / Philip Mostert ( dpa )

Junge afrikanische Flüchtlinge (dpa)
Junge afrikanische Flüchtlinge / ( dpa )
Quelle:
KNA