domradio.de: Sie sehen eine positive Entwicklung bei den Asylverfahren in Griechenland. Was loben Sie dabei?
Roland Schönbauer (UNHCR-Sprecher): Wir loben, dass im vergangenen Jahr 3.600 Menschen - Männer, Frauen und Kinder - in Griechenland Schutz bekommen haben. Das ist eine Zahl, die sich in Europa sehen lassen kann. Aber auch andere Verfahren wurden verbessert. Zum Beispiel die Verfahren, die notwendig sind um Asylsuchende, die nach Europa kommen, besser umverteilen zu können. Europa hält seine Versprechen da selbst noch nicht ein. Auch die Registrierung der Asylsuchenden auf den Inseln ist in den letzten drei Monaten schneller geworden, wenn auch Iraker und Afghanen immer noch viel zu lange warten müssen.
Es gab aber auch noch andere Verbesserungen bei den Lebensbedingungen der Menschen. Die Camps, die die Regierung führt, haben jetzt nicht mehr die schrecklichen Lebensbedingungen, die wir noch im Spätherbst gesehen haben. Auch mit unserer Hilfe, mit UNHCR-Containern, wurde da einiges erreicht. Es ist zwar noch viel zu tun, aber Griechenland ist auf einem guten Weg von einem Durchgangsland zu einem Land zu werden, wo die Menschen bleiben und sich integrieren können.
domradio.de: Wie ist die Lage auf den Inseln im Vergleich zum Festland?
Schönbauer: Die Verbesserungen der Camps betreffen auch die Inseln, wo alle vereint zupacken, um Zelte durch Container zu ersetzen. Hier auf Lesbos zum Beispiel haben wir jetzt die ersten Doppeldecker-Wohncontainer im ganzen Land aufstellen dürfen, nachdem die Regierung unsere Lösung für gut befunden hat. Das Problem auf den Inseln ist aber, dass viele immer noch überbelegt sind, weil die Verfahren noch nicht ganz so schnell sind und auch noch nicht den Rückstau aufgearbeitet haben. Es braucht ein paar Registrierungsschritte im griechischen System, bis die Regierung zulässt, dass jemand die Insel verlassen darf und aufs Festland kommt, wo einfach mehr Kapazitäten sind, mehr Quartiere, wo auch UNHCR 19.000 Unterbringungsplätze hat, in Wohnungen, in Hotels zu Spezialkonditionen, die natürlich besser sind, als irgendwelche Containerlösungen in einem Camp.
domradio.de: Angeblich werden in Griechenland allerdings auch gefährdete Kurden nicht in die Türkei zurück geschickt …
Schönbauer: Ein großer Vorteil am Asylsystem auf den griechischen Inseln: Bevor jemand im Rahmen des EU-Türkei-Paktes in die Türkei zurück geschickt wird, haben die Menschen die Möglichkeit zu sagen: "Ich bin in der Türkei nicht sicher". Sie können also Einspruch erheben, wenn sie in Griechenland nicht zum Asylverfahren zugelassen werden. Diesen Einspruch machen viele Kurden geltend. Dann greift der Sicherheitsmechanismus und die Menschen bekommen ihr Asylverfahren in Griechenland. Allerdings geschieht das nicht pauschal für alle Kurden, sondern ist eine Einzelfall-Prüfung.
domradio.de: Wo herrscht noch Verbesserungsbedarf beim griechischen Asylverfahren?
Schönbauer: Was uns wirklich Sorgen bereitet, ist ein Aktionsplan, der gerade veröffentlicht wurde, den die EU-Kommission gemeinsam mit Griechenland ausgearbeitet hat. Familienzusammenführungen sollen dann, statt in Europa, wo sie sehr langsam vor sich gehen, in der Türkei stattfinden. Kinder, deren Eltern in der Türkei festhängen, oder umgekehrt, würden dann also in die Türkei zurückgebracht - in ein Land, das sowieso die meisten Flüchtlinge auf der Welt unterzubringen versucht. Über drei Millionen leben in der Türkei. Das ist sicherlich kein lösungsorientierter Ansatz.
Das Geiche gilt auch für sogenannte "verletzliche Gruppen", also Schwangere oder Schiffbrüchige. Im griechischen System sind diese Gruppen derzeit noch befreit von dieser Rücküberstellung in die Türkei. Der neue Aktionsplan der EU-Kommission würde diese Gruppen ebenfalls betreffen. Wir glauben, das kann man diesen Menschen nicht zumuten. Es ist gut, dass Griechenland bis jetzt diese Menschen im eigenen Land zum Asylverfahren zulässt. Natürlich muss Europa seine Arbeit tun und sein Wort halten und noch 20.000 versprochene Plätze in anderen EU-Ländern bereitstellen, aber beim derzeitigen Tempo ist diese Zusage nicht einzuhalten, weil nur circa 1.000 Asylsuchende pro Monat Griechenland verlassen, und es müssten drei mal so viele sein, um das Versprechen der EU einzuhalten.
Das Gespräch führte Silvia Ochlast.