Uni Münster bietet erstmals Studiengang "Spiritual Care" an

Multireligiös aufgestellt

Wer krank ist, braucht medizinische Versorgung. Viele benötigen aber auch eine spirituelle Betreuung. Traugott Roser erklärt, wie der Studiengang "Spiritual Care" bald an der Universität in Münster beides verbinden will.

Symbolbild Pflege / © Ground Picture (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie kann Spiritualität kranken- oder pflegebedürftigen Menschen helfen? Gibt es dafür evidente Daten? 

Traugott Roser (Professor für praktische Theologie an der Universität Münster, Studiengang "Spiritual Care"): Es gibt einige Studien, die vor allem im Bereich der Medizin und der Psychologie international durchgeführt und veröffentlicht wurden. 2023 wurde eine große Studie im Journal der American Medical Association veröffentlicht. Diese macht deutlich, dass bei schweren Erkrankungen spirituelle Nöte ebenso vorhanden sind wie andere Symptome im körperlichen oder psychischen Bereich. Und sie können ebenso mitbehandelt werden und somit auch zu einer besseren Lebensqualität führen. 

Traugott Roser

"Wir müssen sagen, dass es auf einer alten Tradition basiert, die wir in christlichen Kirchen als Seelsorge bezeichnet haben".

DOMRADIO.DE: "Spiritual Care" ist eine relativ junge Disziplin. Die erste Professur gibt es erst seit 2010 in Deutschland. Sie und ein katholischer Kollege haben diese Stelle als erste besetzt, europaweit einzigartig. Ist die ganzheitliche Pflege ein so neuer Ansatz ?

Roser: Nein, überhaupt nicht. Wir müssen sagen, dass es auf einer alten Tradition basiert, die wir in christlichen Kirchen als Seelsorge bezeichnet haben. Wir merken aber, dass das Interesse ja auch jetzt in den Gesundheitswissenschaften deutlich zugenommen hat. Und deswegen war es spannend, dass diese erste Professur damals an der Medizinischen Fakultät angesiedelt war. Mein katholischer Kollege ist Arzt, Psychiater und eben auch katholischer Priester.

DOMRADIO.DE: Wie viel Religion steckt denn in diesem Studiengang? Es gibt ja neben der christlichen auch jüdische, buddhistische oder anderweitige Spiritual Care-Angebote und solche, die von Religion und Konfession unabhängig sind. 

Roser: Es ist ganz wichtig, dass wir uns in dem Studiengang mit Religion beschäftigen und religionswissenschaftliche Module Bestandteil sind. Und somit auch die Auseinandersetzung mit christlichen und nichtchristlichen Religionen, aber eben auch Einstellungen, die nicht religiöser, sondern eher weltanschaulicher Art sind. Das gehört mit dazu, weil das Feld, in dem wir arbeiten, multireligiös aufgestellt ist und Patienten eben das mitbringen an Nöten oder auch an Ressourcen, die sie haben, die einfach da sind. Wir machen das Ganze an einer theologischen Fakultät in Münster. Somit sind wir in der christlichen Theologie verortet.

Traugott Roser

"Gerade in der Coronazeit haben wir gemerkt, wie stark die Belastungen existenzieller Art für die Pflegenden und Ärzte sind".

DOMRADIO.DE: Nicht nur kranke Menschen sind auf der Suche nach der für sie passenden Spiritualität, sondern auch die Berufstätigen in Medizin, Pflege und anderen Gesundheitsberufen. Auch die pflegenden Angehörigen benötigen oft Unterstützung. Richtet sich spirituelle Pflege also an beide Seiten?

Roser: Die Spiritual Care Entwicklung kommt sehr stark aus dem Bereich der Palliativversorgung. Dort hat man bereits sehr früh begriffen, dass die Betreuung und Pflege nicht nur den Patienten und Patientinnen gilt, sondern auch den Angehörigen und pflegenden Berufsgruppen. Gerade in der Coronazeit haben wir gemerkt, wie stark die Belastungen existenzieller Art für die Pflegenden und Ärzte sind. Wie wichtig es ist, auch hier zu begleiten, zu unterstützen. Spiritual Care kann ein wichtiger Beitrag sein. Das weiß jeder, der Krankenhausseelsorge erlebt und erfährt, was es für ein Team im Krankenhaus und in der Altenpflege Einrichtung auch bedeutet, wenn sie sich ins Team mit einbringt und an der Kultur beteiligt. 

DOMRADIO.DE: Was lernen die Studierenden in den zwei Jahren und wie viel Praxis steckt in diesem Studiengang? 

Roser: Wir setzen voraus, dass die Studierenden ein Pflegepraktikum oder Erfahrungen im Pflegebereich mitbringen. Wir laden Menschen ein, die in Pflegeberufen oder in Gesundheitsberufen tätig sind. Diejenigen, die noch keine Erfahrung haben, sollten ein Praktikum mitbringen. Wir haben im dritten Semester ein sogenanntes Praxissemester mit einem Kurs der klinischen Seelsorgeausbildung. Dies ist ein zertifizierter Kurs in der Seelsorge, bei dem sehr viel Praxiserfahrung am Krankenbett, jedoch auch viel Erfahrung und viel Austausch stattfindet, um eine gute Ausbildungspraxis mitzubringen. Um über diese Praxis zu reflektieren, gibt es sehr viel Theorie und begleitende Unterstützung durch Kurse und Seminare, die mit dabei sind. Eine Einführung in das Gesundheitswesen findet für die Leute statt, die sich da noch nicht auskennen. Für jene, die aus dem Gesundheitswesen kommen, finden viele theologische Module statt. Diese setzen sich mit biblischen Wissenschaften und biblischer Forschung auseinander, aber auch mit Anthropologie oder theologischer Ethik. Dies gehört zum Pflichtcurriculum unseres Studiengangs. 

Traugott Roser

"Die Absolventinnen und Absolventen werden sehr stark in Kommunikation, aber auch in Organisationsentwicklung mit aufgestellt sein."

DOMRADIO.DE: Was wird man, wenn man Spiritual Care studiert und erfolgreich abgeschlossen hat? 

Roser: Man kann sich auf Seelsorgestellen der Kirchen bewerben. Wir hatten sehr gute Gespräche mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Landeskirchen. Wir wissen von Trägern, dass sie auch daran interessiert sind, Kräfte im Personalbereich oder auch im Organisationsentwicklungsbereich einzustellen. Die Absolventinnen und Absolventen werden sehr stark in Kommunikation, aber auch in Organisationsentwicklung mit aufgestellt sein, sowie in der Begleitung und Betreuung von Patientinnen und Patienten. Außerdem haben sie einen Masterabschluss , der sie dafür qualifiziert, eventuell auch in der Forschung weiterzumachen, wenn sie darauf Lust haben.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR