Unicef warnt vor Kinder-Massensterben im Sudan

"Hölle für Kinder"

Unicef beklagt, dass die Region Darfur in den vergangenen Monaten zur "Hölle für Kinder" geworden ist. Humanitäre Hilfe dringt kaum durch. Das Hilfswerk fordert daher dringend internationale Hilfe, um eine Katastrophe zu verhindern.

Die Lage im Sudan ist sehr schwierig.  / © Michael Kappeler (dpa)
Die Lage im Sudan ist sehr schwierig. / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Speziell die westliche Region Darfur hat sich, so sagt Unicef, in den vergangenen Monaten, zu einer regelrechten Hölle für Kinder entwickelt. Was genau ist da los? 

Christine Kahmann (Unicef Deutschland): Die Situation ist katastrophal, auch in anderen Gebieten des Landes. Aber der Bundesstaat Darfur ist besonders stark von der Gewalt betroffen. Im Norden Darfurs finden Kämpfe insbesondere rund um die Stadt Al-Fashir statt. Das ist eine größere Stadt, in der sehr viele Menschen auch aus anderen Gebieten im letzten Jahr Zuflucht gesucht haben. Es ist auch ein Drehkreuz für die humanitäre Hilfe.

Dort ist die Gewalt seit April dieses Jahres noch mal neu und sehr gewaltig eskaliert. Hunderttausende Menschen hatten dort Zuflucht gesucht, darunter auch ganz viele Kinder. Aber aufgrund der Gewalt, die das Vorstellungsvermögen unserer Kollegen übertrifft, können viele Menschen die Stadt nicht verlassen. 

Christine Kahmann, UNICEF (Unicef)
Christine Kahmann, UNICEF / ( Unicef )

Gleichzeitig kommt die humanitäre Hilfe, also das, was die Menschen für ihr Überleben in dieser Situation benötigen, kaum noch rein. Deswegen schauen wir ganz besonders auf die Region, auf die Stadt, weil dort jetzt dringend etwas geschehen muss, weil sonst weiter Kinder und auch die Zivilbevölkerung an Hunger, an Krankheiten, an Gewalt und weil sie nicht behandelt werden können, sterben werden. Oder auch, weil Schwangere ihre Kinder nicht in einem angemessenen Umfeld zur Welt bringen können. 

DOMRADIO.DE: Inwieweit kommt denn die humanitäre Hilfe an beziehungsweise wird diese Hilfstätigkeit behindert? 

Kahmann: Es ist im Sudan sehr schwierig und volatil. Gleichzeitig sind Hilfsorganisationen wie Unicef natürlich darauf vorbereitet, in diesem schwierigen Umfeld Hilfe zu leisten. In Gebieten wie Al-Fashir gelingt das über sogenannte Hilfskonvois, die von verschiedenen Organisationen organisiert werden, um Hilfsgüter wie Medikamente oder Nahrungsmittel in die betroffenen Gebiete zu bringen.

Aber man muss gleichzeitig sagen, dass es unglaublich schwierig ist. Die Kämpfe sind sehr stark. Es fehlen unseren Teams auch teilweise die Sicherheitsgarantien, sodass die Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. 

Ein Milizionär sitzt neben militärischer Ausrüstung, die angeblich während eines Gefechts im umkämpften Gebiet in Süd-Darfur erbeutet wurde. / © Marwan Ali (dpa)
Ein Milizionär sitzt neben militärischer Ausrüstung, die angeblich während eines Gefechts im umkämpften Gebiet in Süd-Darfur erbeutet wurde. / © Marwan Ali ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es geht um über 14 Millionen Kinder, die dort auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Das sind so viele Kinder, wie sie in ganz Deutschland leben. 

Kahmann: Genau, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen, denn das ist eine so unglaublich große Zahl. Aber wir müssen uns natürlich auch immer wieder vorstellen und bewusst machen, dass hinter jeder dieser Zahlen ein einzelnes Schicksal steht.

Ich war gestern einer Veranstaltung im Sudan zugeschaltet. Dort war ein Mädchen, das unter grausamsten Bedingungen aus dem Sudan geflohen war, nachdem ihr Dorf, nachdem ihre Nachbarn angegriffen worden waren. Sie schilderte die Lage so: "Unsere Träume wurden zerstört, unser Land liegt im Sterben. Wir verlieren die Hoffnung und es ist uns schier unmöglich, auch hier außerhalb des Sudans irgendwie einen Funken Ruhe und Hoffnung aufgrund der Situation zu finden". 

Mir ist das sehr nahe gegangen. Ich glaube, das schildert die Situation sehr dramatisch. 

Christine Kahmann

"Die Kinder werden verhungern, wenn ihnen jetzt nicht geholfen wird."

DOMRADIO.DE: Unicef fürchtet das Schlimmste, wenn man nicht ganz schnell etwas gegen die Magelernährung tut. Es bahnt sich eine Katastrophe an und die Welt schaut bisher weitgehend weg. Wie erklären Sie sich das? 

Kahmann: 730.000 Kinder sind lebensbedrohlich mangelernährt. Das heißt sie werden verhungern, wenn ihnen jetzt nicht geholfen wird. Diese Lage ist unglaublich dramatisch. 

Ein Mädchen aus dem Sudan im Transitlager inmitten von Koffern / © Eva-Maria Krafczyk (dpa)
Ein Mädchen aus dem Sudan im Transitlager inmitten von Koffern / © Eva-Maria Krafczyk ( dpa )

Unicef und andere Organisationen haben seit Monaten versucht, Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Aber wir müssen uns natürlich auch bewusst machen, dass es gerade viele Kriege und Konflikte gibt. Es herrscht eine gewisse Müdigkeit in der Bevölkerung. Journalistinnen und Journalisten können im Moment kaum in den Sudan reisen, um von dort zu berichten. 

Ich glaube auch, dass manchen Menschen die Lage vielleicht ausweglos erscheint. Aber es ist umso wichtiger, dass wir die Kinder jetzt nicht allein lassen, den Scheinwerfer wieder auf den Sudan richten und dafür sorgen, dass Druck entsteht, damit es dort zu Frieden kommt und damit es einen konkreten Anlauf gibt, um Leben insbesondere der Kinder zu retten. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

UNICEF

UNICEF ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund). Der Auftrag von UNICEF ist es, die Kinderrechte für jedes Kind zu verwirklichen, unabhängig von seiner Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Richtschnur für die weltweite Arbeit ist die UN-Konvention über die Rechte des Kindes.

Von der schnellen Nothilfe bis zum langfristigen Wiederaufbau hilft UNICEF, dass Mädchen und Jungen überall auf der Welt gesund und sicher groß werden und ihre Fähigkeiten voll entfalten können.

Unicef: "Die Lage in abgeriegelten Orten ist besonders düster." / © Karin Leukefeld (KNA)
Unicef: "Die Lage in abgeriegelten Orten ist besonders düster." / © Karin Leukefeld ( KNA )
Quelle:
DR