Union will Truppenstärke erhöhen - Welthungerhilfe setzt zivilen Schwerpunkt

Braucht Afghanistan mehr Soldaten?

Mit Unterstützung der Union will das Bundesverteidigungsministerium mehr Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan entsenden. Das Truppenkontingent von derzeit 3500 Soldaten sei auf Dauer zu niedrig, um den operativen Herausforderungen des Mandats gerecht zu werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Karl Lamers (CDU), der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Welthungerhilfe lehnt den Isaf-Einsatz nicht ab, warnt aber vor einer "Überbetonung des Militärischen".

 (DR)

Es gehe dabei darum, dem Verteidigungsministerium einen größeren Spielraum einzuräumen, damit etwa bei einem Kontingentwechsel nicht die Mandatsobergrenze verletzt werde. Zudem stelle die Bundeswehr ab Juni im Norden eine schnelle Eingreiftruppe. "Eine neue Qualität des Einsatzes wird es aber nicht geben", sagte der Verteidigungsexperte.

Lamers schloss nicht aus, dass Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) noch vor der Sommerpause konkrete Zahlen für die zukünftige Truppenstärke nennen werde, die dann im Rahmen der Mandatsverlängerung im Herbst vom Bundestag beschlossen werden könnten.

Chancen vertan
Pessimistisch blicken Hilfsorganisationen, wie die Deutsche Welthungerhilfe auf die Entwicklung in Afghanistan. Die "Überbetonung des Militärischen" im Vergleich zum zivilen Wiederaufbau gehe an den Problemen der Afghanen vorbei, so der Regionalgruppenleiter für Zentralasien, Theo Riedke, der Nachrichtenagentur epd: "Da werden täglich ganz viele Chancen verpasst." In dem Land habe sich seit dem Sturz der Taliban 2001 "viel weniger als erwartet" getan.

Riedke betonte, die Welthungerhilfe lehne den Militäreinsatz im Land nicht ab. Der Einsatz der internationalen Schutztruppe ISAF sei grundsätzlich notwendig, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Es brauche aber eine klare Aufgabentrennung. Das Militär solle für Sicherheit sorgen und die afghanische Polizei und Armee aufbauen. Die Hilfsorganisationen sollten dagegen allein für den zivilen Wiederaufbau zuständig sein: "Das können wir besser und billiger."

Die Sicherheitslage hat sich nach Ansicht des Welthungerhilfe-Mitarbeiters in Afghanistan weniger stark verschlechtert als erwartet. Im vergangenen Jahr waren im Norden des Landes zwei Mitarbeiter der Hilfsorganisation erschossen worden, die daraufhin ihre Arbeit im Land reduzierte. Derzeit könne die Welthungerhilfe in ihren Einsatzgebieten unter den üblichen Sicherheitsmaßnahmen tätig sein, so Riedke.

Erfolge für die Zukunft sichern
Es habe aber auch einige Erfolge gegeben: Mehr Menschen hätten Zugang zu einer gesundheitlichen Grundversorgung, mehr Kinder gingen zur Schule. Es stelle sich aber die Frage nach der Nachhaltigkeit. So seien einige Schulen für Mädchen mittlerweile wieder abgebrannt worden.

Ein Teil der internationalen Hilfe sei zudem intransparent und für die afghanische Regierung nicht überschaubar, sagte Riedke. Ein großer Teil der Hilfe für Afghanistan stammten von den USA, die aber keine Einblicke in ihre Planung und Verwendung geben würden. So sei es schwierig, die Unterstützung besser und effektiver abzustimmen.

Auch die Weltbank hat eine mangelnde Abstimmung von Entwicklungshilfe und Regierungsarbeit in Afghanistan beklagt. Zwei Drittel der Milliarden-Hilfe gingen am Regierungsbudget vorbei und unterhöhlten so die staatliche Autorität, betonte die Weltbank in einem am Dienstag in Paris veröffentlichten Bericht.

Staatswesen aufbauen
Die Weltbank fordert daher, die staatlichen Institutionen in Afghanistan zu stärken. Der Staat müsse schrittweise mehr Verantwortung übernehmen. Nötig seien richtig ausgebildete und bezahlte Staatsbedienstete, die sich ihrer Arbeit verpflichtet fühlten, um die Entwicklung im Land voranzubringen.

Die Weltbank rät der afghanischen Regierung, sich auf zentrale Aufgaben wie die Errichtung eines Rechtsstaats und die Verteilung öffentlicher Güter zu konzentrieren. Zugleich müssten der Privatsektor, zivile Organisationen und kleine Gemeinden helfen, öffentliche Dienste auszubauen. Als erfolgreiches Beispiel nannte die Weltbank den Gesundheitssektor. Verträge an nichtstaatliche Organisationen hätten dazu beigetragen, dass nun sechs Millionen Afghanen mehr Zugang zu gesundheitlicher Versorgung hätten.