Die Corona-Pandemie trifft nicht alle Menschen gleich. Das bekommen derzeit vor allem Madrids Armenviertel zu spüren. Am Montag wurden mehrere sozial schwache Arbeiterviertel im Süden der spanischen Hauptstadt erneut mit strikten Maßnahmen regelrecht abgeriegelt. Rund 850.000 Menschen sind von Ausgangssperren und Bewegungseinschränkungen betroffen.
Die Einwohner dürfen die Bezirke nicht mehr verlassen. Ausnahmen gelten nur für den Weg zur Arbeit, zum Arzt und um Kinder zur Schule zu bringen. Die Menschen in den betroffenen Stadtteilen werden darum gebeten, die Häuser möglichst nicht zu verlassen. Parks wurden geschlossen. Geschäfte, Bars und Restaurants dürfen zwar geöffnet bleiben, müssen die Zahl der Gäste aber halbieren. Die Einwohner dürfen sich nur noch mit maximal sechs Personen treffen. Die harten Maßnahmen sollen zunächst für zwei Wochen gelten. Am Montag hinderte die Polizei bereits mehrere Menschen, in andere Stadtviertel mit weniger Corona-Neuinfektionen zu fahren.
Eng besiedelte Stadtviertel, in denen sozial schwache Familien leben
Einige der abgeriegelten Bezirke wie Vallecas, San Cristobal, das Migrantenviertel Lavapies und zahlreiche Vorstädte hatten zuletzt mehr als 1.000 Corona-Fälle je 100.000 Einwohner gemeldet. Das ist etwa das Fünffache des landesweiten Durchschnitts. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: "Es handelt sich um sehr dicht besiedelte Stadtviertel, in denen sich sozial schwache Familien sehr kleine Wohnungen teilen und auf engstem Raum zusammenleben müssen. Viele arbeiten zudem in Branchen, in denen Homeoffice nicht möglich ist", sagte Caritas-Sprecher Francisco Lorenzo der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Der Unmut der Betroffenen wächst. Am Sonntag protestierten bereits mehrere Tausend Menschen in den seit diesem Montag abgeriegelten Vierteln. Sie wiesen die Maßnahmen als "ungerecht und diskriminierend" zurück. "Unsere Stadtteile sind keine Ghettos", "Mehr Ärzte, mehr Kontaktnachverfolger - keine Ausgrenzung" war auf Protestplakaten zu lesen. "Wer soll Euch nun in den Bars bedienen, Eure Wohnungen putzen, Eure Alten pflegen", skandierten viele Menschen in Sprechchören mit Blick auf ihre Arbeitsplätze in reicheren Stadtvierteln der Vier-Millionen Metropole.
Regionalregierung in der Kritik
Die Demonstranten forderten den Rücktritt der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso. "Die Politiker haben uns im Stich gelassen und nun sperren sie uns ein", kritisierte ein Protestteilnehmer die Regionalregierung im spanischen Radiosender Cadena Ser. Die Behörden geben sich jedoch hart. Auch die Zentralregierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez befürchtet, dass die in Madrid rasant steigenden Covid-Neuinfektionen die sich im ganzen Land anbahnende zweite Corona-Welle noch verschlimmern könnte.
Unterdessen kam es in der Madrider Oper am Sonntagabend zu chaotischen Zuständen und einem Eklat. Wegen mangelnder Abstandsregeln unterbrach das Publikum sogar die Aufführung von Verdis Oper "Ein Maskenball". Die Vorstellung war wegen der Unzufriedenheit vieler Opernhausbesucher aufgrund der engen Platzverteilung bereits mit Verspätung gestartet. Doch die Gemüter beruhigten sich nicht. Kurz nach Beginn der Aufführung gingen die Proteste weiter. Zahlreiche Zuschauer begannen pausenlos zu klatschen, um ihr Missfallen zu zeigen. Die Aufführung musste schließlich komplett abgebrochen werden.
Die Vorschriften der Stadt Madrid sehen eine Personenkapazität von bis zu 75 Prozent des Raumes vor, was in der Praxis keinen sicheren Abstand zwischen allen Zuschauern zulässt. Laut einer offiziellen Erklärung waren trotzdem nur 51,5 Prozent der verfügbaren Sitzplätze belegt.
Die Handy-Videos erzürnter Opernbesucher in Sozialen Netzwerken zeigten allerdings eine sehr unterschiedliche Platzverteilung. Während gute und teure Sitzplätze ausreichend Sicherheitsabstände hatten, saßen die Zuschauer auf den oberen Rängen tatsächlich dicht an dicht. Die Situation in der spanischen Hauptstadt droht langsam auszuufern. Spanien ist mit mehr als 600.000 Infektionen und über 30.000 Todesfällen derzeit das am stärksten von der Pandemie betroffene Land Europas.