DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die katholischen Unternehmer in der Krise?
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer / BKU): Zupackend, energisch, aber auch Gemeinschaft suchend. Das sind vielleicht die drei Schlagwörter, die man hier verwenden kann. Wir hatten innerhalb kürzester Zeit eine Summe an unterschiedlichen Angeboten nach dem Motto: Unternehmer helfen Unternehmen.
DOMRADIO.DE: Spielt Solidarität also eine große Rolle?
Hemel: Eine ganz große Rolle. Wir sind nicht alleine auf der Welt. Das ist etwas, was zu unserem christlichen Wertefundament gehört. Wir sind nicht alleine und wir haben nicht die Aufgabe, alleine durch die Welt zu gehen, sondern Gemeinschaft zu suchen. Auch in den Unternehmen, da haben wir einen Fundus.
Wir haben in doppelter Art und Weise reagiert. Zum einen mit einem Digitalisierungsschub. Wir haben Webinare angeboten, die großen Zulauf gefunden haben. Dabei haben wir festgestellt, dass es für weiter entfernt lebende Unternehmer leichter ist, sich digital zuzuschalten, als in Köln oder in Berlin zu einer Veranstaltung zu gehen. Das ist selbstverständlich, da hätten wir alle auch früher drauf kommen können. Aber das war ein großer Schub, der uns wirklich geholfen hat.
Genauso wichtig war, dass wir uns auf unseren Ursprung besonnen haben. Unser Maßstab ist der Mensch. Dazu haben wir zu dieser Bundestagung eine Veröffentlichung vorgelegt von unserem geistlichen Berater Hans Günther Ullrich. Das Büchlein heißt "Maßstab Mensch" und soll eine Handreichung für Unternehmer sein, die Werte-Orientierung suchen und sich fragen, wie sie das Thema verständlich rüberbringen und dazu ins Gespräch kommen können.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, christliche Werte-Orientierung bei Innovationen könne ein Wettbewerbsvorteil sein. Worin liegt dieser Vorteil?
Hemel: Jedes Unternehmen lebt von seinen Menschen. In der Managementsprache haben wir den Begriff "Purpose". Damit ist gemeint: Ein Unternehmen braucht einen Zweck, wodurch es der Gesellschaft insgesamt dient. Und wir reden von Talent-Management, das sich auf den einzelnen Menschen bezieht, der in seiner Arbeit einen Sinn sucht.
Wir finden, dass wir einen Vorteil haben durch eine klare Verankerung in solchen christlichen Werten. Unsere Herausforderung ist, dass in der katholischen Kirche viel Gutes passiert, es aber nicht deutlich genug rübergebracht wird.
Bei katholisch orientierten Unternehmen und Personen im Wirtschaftsleben ist eine Menge an wirklich sinnvollen Weichenstellungen zu sehen. Diese werden in der Öffentlichkeit noch zu wenig wahrgenommen, weil man in vielen Fällen zum einen dem Unternehmer und zum anderen der Wirtschaftskompetenz in der katholischen Kirche misstraut. Die ist aber da, und wir möchten das gerne stärker zum Leuchten bringen.
DOMRADIO.DE: Provozierend könnte man sagen, dass christliche Werte unwirtschaftlich sind für Unternehmer, da sie Geld kosten. Wie sehen Sie das?
Hemel: Das würden wir so nicht sehen. Christliche Werte schaffen einen ethischen Mehrwert, der zu Vertrauen führt. Vertrauen in der Belegschaft, bei den Lieferanten, aber auch bei Kundinnen und Kunden. Vertrauen ist ein Spitzenwert in der Wirtschaft. Von daher gesehen ist eine Werteorientierung nicht einfach kostensteigernd, sondern eher leistungssteigernd.
Sie führt uns zu einem besseren Ineinander, eben auch, um die heute gegebene Kluft zwischen der gesellschaftlichen Realität und der Welt der Unternehmen zu überbrücken. Werte können ein Innovationstreiber sein. Sie machen gute Unternehmen besser und attraktiver für Menschen, die mit ihren Fähigkeiten einen sinnvollen Beitrag suchen.
DOMRADIO.DE: Muss da nicht auch die Politik mitspielen? Zum Beispiel Rahmenbedingungen schaffen, die Werte wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz für Unternehmer fördern?
Hemel: Völlig richtig. Deswegen haben wir das Motto des nächsten Jahres unter das Schlagwort "Zukunftsfähig Wirtschaften" gestellt. Damit meinen wir die Verbindung von ökonomisch, ökologisch und sozial.
Wir sehen das auch mit Blick auf das Thema der digitalen Welt. Denn wir müssen uns wirklich überlegen, wie wir Rahmenbedingungen schaffen. Dazu, dass der Mensch Mittelpunkt ist, auch in dieser riesigen, rasanten digitalen Transformation.
Das Interview führte Verena Tröster.