Bistum Erfurt feiert 25-jähriges Jubiläum

"Unsere Augen sind für die Wirklichkeiten aufgegangen"

In der DDR hatten es die Christen im Osten nicht leicht. Nach der Gründung des Bistums Erfurt haben sich die Probleme verschoben: Sinkende Mitgliederzahlen und kaum neue Priester. Weihbischof Hauke zieht ein optimistisches Fazit.

Erfurter Dom und Severikirche / © Roger Hagmann (KNA)
Erfurter Dom und Severikirche / © Roger Hagmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am 8. Juli 1994 war es fast so, als hätte der Himmel geweint, oder?

Reinhard Hauke (Erfurter Weihbischof und Dompropst): Ja, es hat geregnet - nicht durchgängig, aber heftig genug. Wir hatten viel zu tun, dass wir den Gottesdienst auf den Stufen halbwegs ordentlich zu Ende bekommen haben. Man kann das dann verschieden deuten: Ob das das Weihwasser vom Himmel her war - ich weiß es nicht genau. Es hat sich auf jeden Fall bei vielen eingeprägt, dass es geregnet hat.

DOMRADIO.DE: Sie waren damals Dompfarrer und haben die Trennung in Ost und West erlebt - auch in der Kirche. Wieviel Kontakt war damals zwischen Christen möglich?

Hauke: Das kam meistens darauf an, ob man aufgrund der Familie persönliche Beziehungen in die alten Bundesländer hatte. Das war bei mir dadurch der Fall, dass meine Eltern aus Schlesien stammen. Die Vertreibung führte dazu, dass einige in den Westteil, einige in den Ostteil Deutschlands gekommen sind.

Von meiner Familie aus gab es immer wieder gute Beziehungen in die alten Bundesländer hinein. Dann gab es natürlich verschiedene Versuche seitens der Kirche, vor allen Dingen über die Priesterseminare und die Ausbildung, Kontakte zu schaffen, wenn sie noch nicht da waren.

Für uns war es auch wichtig, dass wir zum Beispiel an theologische Literatur kamen, die in den alten Bundesländern vom Herder Verlag oder anderen Verlagen hergestellt wurde. Deswegen war es einfach notwendig, solche Kontakte zu haben. Die Literatur haben wir dann mehrheitlich über die Leipziger Messe bekommen oder eben aufgrund der familiären Beziehungen.

DOMRADIO.DE: Mit Erfurt zusammen wurden damals 1994 auch die Bistümer Görlitz und Magdeburg gegründet, die sogenannten Ost-Bistümer. In einer Gegend, in der 40 Jahre lang die Führung der DDR dem Atheismus näher stand als der Kirche: Wie war das damals für die Thüringer, plötzlich wieder ein katholisches Bistum zu haben?

Hauke: Wie das die Thüringer, wenn Sie die ganze Bevölkerung meinen, empfunden haben, kann ich jetzt nicht so ganz wiedergeben. Vielleicht haben sich manche gewundert, weil wir doch eigentlich schon seit der deutsch-deutschen Grenze relativ selbstständig waren. Wallfahrten oder Gottesdienst waren ja eigentlich immer schon gegeben. Das haben wir auch in der Zwischenzeit gemacht, sodass für die Normalbevölkerung die Gründung eines Bistums nicht so etwas Besonderes war. Das haben viele vielleicht gar nicht so richtig mitbekommen.

Aber für die Katholiken, hier in diesem Teil des Ostens Deutschlands, war es natürlich schon etwas Besonderes, dass man diese Selbstständigkeit fixiert hat. Was bisher schon gewohnheitsmäßig so war, das hat man dann einfach auch festgemacht in einer Gründung.

DOMRADIO.DE: Heutzutage sind ungefähr sieben Prozent aller Thüringer katholisch. Es gibt auch noch eine kleine Ausnahme im Nordwesten Thüringens: Da sind es sogar 70 Prozent. Aber es ist eben die Ausnahme. Das Bistum Erfurt macht sich auf einen Weg. Sie haben eine Strukturreform beschlossen. Welchen Weg wollen Sie gehen?

Hauke: Wir haben aufgrund guter Überlegungen, die nun schon einige Jahre zurückliegen, eine Veränderung festgelegt: eine Strukturreform in drei Stufen. Jetzt, 2021 vollzieht sich die letzte Stufe. Das heißt, wir versuchen, Gemeinden sinnvoll so zusammenzuführen, dass sie eine neue Pfarrei bilden. Wir haben hier das Prinzip, dass wir die Pfarreien auflösen und neu gründen. Das haben wir vernünftig geplant, zusammen mit den Pfarrern, sodass wir an einem guten Punkt angekommen sind. Wir haben dann im Jahr 2021 noch 33 Pfarreien und diese 33 können wir zurzeit auch noch gut mit Seelsorgern bestücken.

Von der Idee her sind wir dann auch Schritte dahin gegangen, dass wir uns vor allen Dingen auf das Ehrenamt und auf die Männer und Frauen in unseren Pfarreien stützen. Sie halten dann auch selbstständig Wortgottesdienstfeiern mit Kommunionausteilung an den Wochenenden. Es sind über 500 Männer und Frauen, die das jedes Wochenende tun. Das ist fast die dreifache Zahl der Priester, die wir haben.

Deswegen können wir auch noch an jedem Ort, an dem es eine Kirche gibt und an dem die Glocken am Sonntag läuten, Gottesdienste anbieten – wenn auch in verschiedenen Formen. Auch unsere Senioren helfen kräftig mit: Die Pfarrer, die jetzt im Ruhestand sind und deren Kräfte ausreichen, feiern die Gottesdienste mit. Die Gläubigen, die sich auch schon über viele Jahre hinweg daran gewöhnt haben, dass man am Sonntag in die Kirche geht, können dann weiterhin in verschiedener Weise Gottesdienste oder Eucharistiefeiern erleben.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Gründungstag vor 25 Jahren miterlebt und jetzt auch diese Strukturreform. Was für ein Fazit ziehen Sie für diesen Weg, den Sie begleitet haben?

Hauke: Wir haben versucht, uns nicht nur durch irgendwelche Notsituationen treiben zu lassen: schrumpfende Katholikenzahl, schrumpfende Anzahl von Priestern. Sondern wir haben auch versucht, darin so etwas wie eine Fügung und Führung Gottes zu erkennen, der uns sagt: Überlegt doch mal, was wirklich wesentlich ist an der Aufgabe eines hauptamtlichen Seelsorgers. Was muss er unbedingt tun? Was sollen die anderen tun? Was können sie und müssen sie vielleicht auch tun?

Wir sind auch weiter gegangen. Unsere Augen sind auch für Wirklichkeiten aufgegangen, die der liebe Gott in unserer Zeit geschaffen hat. Es gibt viele Männer und Frauen, die Verantwortung übernehmen - sogar bei der Gestaltung von Gottesdienst bis hin zur Beerdigungspraxis.

Wir haben zehn Männer und Frauen vorbereitet und ausgebildet, dass sie Beerdigungen halten können. Das sind Schritte, bei denen wir sagen: Das ist nicht die Not, die uns treibt, sondern wir haben und vom Geist Gottes doch bewegen lassen, Dinge zu erkennen, die notwendig und gut sind.

Das Interview führte Beatrice Steineke.


Weihbischof Reinhard Hauke, Bistum Erfurt (dpa)
Weihbischof Reinhard Hauke, Bistum Erfurt / ( dpa )
Quelle:
DR