Deborah Kaluki Dambuki sieht verloren aus, wie sie da am Rand der ungeteerten Straße steht. Ohne großes Interesse lässt sie ihren Blick über die Stände mit gebrauchter Kleidung, Obst und Gemüse in Mathare schweifen, einem der größten Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Die 25-jährige Dambuki ist nur hier, weil sie sonst nichts zu tun hat. Sie ist Lehrerin, die Schulen sind geschlossen: An diesem Donnerstag soll ein neuer Präsident gewählt werden und die Unterrichtsräume werden als Wahllokale gebraucht.
"Dabei ist jetzt die Zeit der Abschlussprüfungen", sagt die junge Pädagogin. "Und niemand weiß, wie und wann es weitergeht." Das ist nur eine von vielen offenen Fragen in Kenia.
Oppositionskandidat rief das Oberste Gericht an
Der neue Wahlgang ist nach einem spektakulären Urteil des Obersten Gerichtes nötig geworden. Die Richter hatten Anfang September die Präsidentschaftswahl vom 8. August annulliert. Dem offiziellen Ergebnis zufolge war dabei Amtsinhaber Uhuru Kenyatta mit 54 Prozent der Stimmen bestätigt worden. Der Oppositionskandidat Raila Odinga folgte mit rund 44 Prozent. Odinga erkannte das Ergebnis nicht an und rief das Gericht an. Das entschied schließlich, wegen Unregelmäßigkeiten und Versäumnissen der Wahlkommission sei die Abstimmung nicht transparent, das offizielle Ergebnis nicht nachvollziehbar.
Ob die fast 20 Millionen Wählerinnen und Wähler nun ihre Stimmen tatsächlich noch einmal abgeben können, blieb aber weiter fraglich - unter anderem, weil Odinga angekündigt hat, er werde die Wahl verhindern. Kurz nach dem historischen Gerichtsurteil zog der 72-Jährige seine Kandidatur überraschend zurück. Er sehe seine Forderungen - darunter eine Neubesetzung der Wahlkommission - nicht erfüllt, sagt er zur Erklärung. Seitdem ruft er seine Anhänger immer wieder zu Protesten auf die Straße.
"Sie schüren ethnische Spannungen"
Dambuki ist eigentlich überzeugte Anhängerin der Opposition. Aber nach Wochen hitziger Debatten und gewaltsamer Demonstrationen fühlt sie sich von keiner Seite mehr vertreten. "Kenyatta und Odinga verfolgen nur ihre eigenen Interessen, suchen ihren eigenen Vorteil", glaubt sie. "Und sie schüren ethnische Spannungen, um ihr Ziel zu erreichen."
Die Erinnerungen an die blutige Gewalt nach der Präsidentschaftswahl von 2007 sind wieder allgegenwärtig in Kenia. Damals kam es nach der Verkündung eines umstrittenen Ergebnisses zu schweren ethnisch geprägten Übergriffen. Mehr als 1.200 Menschen wurden getötet, Hunderttausende vertrieben. «Ich habe vor der Wahl Angst», sagt Dambuki.
Forderung nach Dialog
Nicht weit von ihr entfernt wartet der Händler Robert Mogora auf Kunden. Dem 32-Jährigen geht es ähnlich wie Dambuki: Er ist seit Jahren ein Anhänger Odingas, aber im Moment verfolgt er dessen Politik der Konfrontation mit wachsender Angst. "Odinga und Kenyatta sollten den Dialog suchen und sich zusammensetzen. Nur so können sie unser Land noch retten." Seinen kleinen Laden in Mathare, in dem er elektronische Geräte verkauft, hat er seit Wochen wegen der häufigen Demonstrationen nur sporadisch geöffnet.
Andere Bewohner von Mathare stellen sich hingegen klar hinter die Forderungen Odingas. Nelson Ochieng, ein politischer Führer in einem der Viertel, verlangt weitere Reformen der Wahlkommission vor einer Abstimmung. Andernfalls könne sie nicht glaubwürdig sein. "Wir werden die Wahl boykottieren", sagt der 48-Jährige. "Wir werden dafür die unterschiedlichsten Taktiken anwenden. Wenn die Polizei kommt, werden wir mit ihr kämpfen."
Weitere Tote nimmt Ochieng in Kauf. Dutzende Menschen wurden bei den politischen Auseinandersetzungen schon getötet, seit das Ergebnis der Präsidentschaftswahl im August verkündet wurde. "Sie können noch mehr Menschen töten", sagt Ochieng, "aber nicht alle 45 Millionen Einwohner Kenias". Gewalt sei keine gute Sache, räumt er ein. Aber Kenia brauche auf jeden Fall einen politischen Wechsel. "Und bei jedem Umsturz gibt es Tote."