Nach Ansicht des Juristen Jürgen Bast beinhaltet der Vertrag kein Menschenrecht auf Migration, anders als von Kritikern behauptet. Der Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Uni Gießen zeigte sich verhalten optimistisch, dass durch den Pakt eine dauerhafte internationale Zusammenarbeit in Migrationsfragen etabliert werden könne, berichtetet die Mediengruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" (Samstag).
Der Experte für deutsches, europäisches und internationales Migrationsrecht erklärte zudem, die Ablehnung durch Länder wie Ungarn und Österreich beruhe auf einer "grundsätzlichen Auseinandersetzung darüber, ob Staaten bei der Lösung von Problemen" kooperieren sollten.
Staats- und Regierungschefs wollen die völkerrechtlich nicht bindende Vereinbarung im Dezember im marokkanischen Marrakesch verabschieden. Die Vereinten Nationen hatten sich im Juli auf den "Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration" geeinigt. Das Abkommen soll chaotische und lebensgefährliche Migration verhindern. Die USA und Australien sowie einige EU-Staaten haben angekündigt, nicht mitzumachen. Deutschland hingegen setzt sich für den Pakt ein.
Misereor: UN-Migrationspakt als Chance betrachten
Im Vorfeld forderte das Hilfswerk Misereor einen sachlichen Umgang mit dem Thema. Der Vertrag biete die Chance, "gemeinsame Leitlinien für den Umgang mit Migration zu beschließen und das Thema Migration international auf der Agenda zu halten", sagte Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon noch am Mittwoch in Aachen. Die Staaten, die nun aus dem Prozess ausstiegen, sorgten dagegen für "andauernde Unsicherheit und Uneinigkeit. Migration werden sie damit jedenfalls nicht verhindern, dafür aber Fremdenfeindlichkeit weiter anheizen."
Die Frage sei nicht, ob es künftig Migration geben, sondern, unter welchen Umständen sie stattfinden werde, erklärte Bröckelmann-Simon. Der Migrationspakt biete "erstmalig einen Orientierungsrahmen auf globaler Ebene" und könne "verbindliche Standards für den Umgang mit Migration und Migranten setzen". Deutschland müsse sich massiv für die Unterzeichnung einsetzen.
Kardinal Schönborn kritisiert Österreichs Ausstieg
In Wien kritisierte Christoph Karidnal Schönborn den Ausstieg Österreichs aus dem UN-Migrationspakt. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz betonte in der ORF-Sendung "Hohes Haus": "Das Migrationsproblem ist ein weltweites Problem." Der Glaube, dass Österreich die Herausforderungen allein bewältigen könne, sei "zumindest ein bisschen hinterfragbar". Schönborn fügte hinzu: "Alleine werden wir nichts schaffen. Wir können in einer globalen Welt nur vernetzt mit guten Brücken zu den Nachbarn arbeiten und leben."
Auch der Migrationsexperte Gerald Knaus kritisierte Österreichs Rückzug aus dem UN-Migrationspakt scharf. "Dass Österreich der Vereinbarung nicht beitreten will, ist ein Zeichen von Schwäche", sagte der Vordenker des EU-Türkei-Deals und Vorsitzender des Thinktanks Europäische Stabilitätsinitiative (ESI) der "Welt". Österreich habe den Pakt unter Bundeskanzler Sebastian Kurz mitverhandelt. "Doch die FPÖ hat es geschafft, ihre Sicht einer Verschwörung der Weltgemeinschaft, nämlich Massenmigration zu ermöglichen, durchzusetzen."
Der Pakt setze Standards bei Migrantenrechten, "die in vielen Teilen der Welt noch nicht beachtet werden", erklärte Knaus. Es sei auch "in deutschem Interesse", dass sich andere Länder diesen Standards annäherten, "damit Deutschland gerade nicht Magnet wird für weitere Migrationsströme". So gebe es etwa weniger Migration nach Europa, "wenn Migranten in Westafrika überall fair behandelt werden".
Unterzeichnung beim UN-Gipfel in Marrakesch
Auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte den Globalen Migrationspakt gegen Kritiker. "Es sind vor allem rechtspopulistische Parteien, die versuchen, aus dem Migrationspakt ein Verhetzungspotenzial zu ziehen", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn wir unsere Politik in Deutschland danach ausrichten, verzwergen wir uns in einer unglaublichen Weise selbst - und die Rechtspopulisten verzeichnen schon den ersten Erfolg."
Der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration soll im Dezember beim UN-Gipfel in Marrakesch angenommen werden. Die USA und Australien sowie einige EU-Staaten haben angekündigt, nicht mitzumachen. Deutschland hingegen setzt sich für den Pakt ein.
Kramp-Karrenbauer verteidigte zudem die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Dass 2015 viele Menschen zu uns gekommen sind, war in einer humanitären Ausnahmesituation richtig", sagte sie. "Diese Entwicklung kann auch nicht zurückgedreht werden. Die Debatte in der CDU darf sich daher nicht nur um 2015 drehen. Das wäre kontraproduktiv und würde uns lähmen. Es geht jetzt um die Frage, was wir weiter tun - national und international."