Nachdem im März die Kathedrale im spanischen Santiago de Compostela, das Pilgerbüro und die Herbergen schließen mussten, gehen mit Beginn des Juli nach und nach mehr Pilger auf dem Jakobsweg, sagte der Präsident der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft in Aachen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im vergangenen Jahr sei mit 347.578 Menschen eine Rekordzahl nach Santiago gepilgert.
"Heiliges Jahr" 2021
Mit dem "Heiligen Jahr" 2021 könnte laut Herbers die Pilgerbewegung auf dem Jakobsweg neuen Aufschwung nehmen. Das Heilige Jahr findet in Santiago de Compostela dann statt, wenn der 25. Juli, der Tag des Heiligen Jakobus, auf einen Sonntag fällt. Auch Spanien sei interessiert daran, das Pilgern als touristischen Faktor wieder zu beleben.
Zurzeit seien die Herbergen nur zum Teil wieder geöffnet und könnten wegen der Hygiene- und Abstandsregeln nicht voll genutzt werden, erläuterte Herbers. Möglicherweise werde das Pilgern als Ausgleich für den Alltagsstress künftig auch keine so große Rolle mehr spielen: "Vielleicht gibt es nach Corona nicht mehr so viele Leute, die sagen, ich muss mal ein halbes Jahr Auszeit nehmen, weil dann anders gearbeitet wird."
Jakobswege auch in Deutschland
Für das Pilgern gebe es jedoch eine ganze Reihe von sehr individuellen Motiven, erläuterte er. Bei vielen Menschen stehe eine religiöse Sinnsuche außerhalb des amtskirchlichen Rahmens obenan. Er wisse von vielen Mitgliedern der größten deutschen Jakobus-Gesellschaft, dass sie derzeit nach Ausweichmöglichkeiten suchten, und Wege im eigenen Land beliebter würden. Doch obwohl es auch in Deutschland Jakobswege gebe, seien diese für viele kein Ersatz für ein Ankommen in Santiago mit dem Grab des Apostels Jakobus als Ziel, sagte der Professor für mittelalterliche Geschichte.
Das im 15. Jahrhundert eingeführte Heilige Jahr sei im Mittelalter mit besonderen spirituellen Vergünstigungen verbunden gewesen, erläuterte Herbers, der auch dem Expertenkomitee von Santiago de Compostela angehört. Dazu zählte unter anderem die Lockerung von Bußstrafen.
Im Mittelalter sei das Pilgern oft erkennbarer als heute religiös bestimmt gewesen, sagte Herbers. So hätten sich Menschen etwa zum Dank für einen erfüllten Kinderwunsch auf den Weg gemacht oder seien als Bußleistung losgeschickt worden. "Das war gefährlich. Man wusste nicht, ob man zurückkommt." Damals wie heute gelte jedoch: "Das Pilgern hat immer etwas mit dem Leben und den Anliegen der Menschen zu tun."