Urnen-Entwicklerin erhält German Design Award

"Aus einem Bogen Papier aus Gmund"

Die Urnen des Start-up-Unternehmens "urnfold" hat den German Design Award 2024 gewonnen. Sie sind aus Papier, handgefertigt, in allen möglichen Farben und kompostierbar, erzählt die Mit-Gründerin Kristina Steinhauf.

Autor/in:
Elena Hong
Wiesenblumen auf der Urne von "urnfold" / © Katharina Scheidig (Urnfold)
Wiesenblumen auf der Urne von "urnfold" / © Katharina Scheidig ( Urnfold )

DOMRADIO.DE: Normalerweise verbindet man mit Sterben und Tod etwas Dunkles, Schweres. Die Urnen von "urnfold" sind da anders. Wie funktionieren Ihre Urnen aus Papier? 

Kristina Steinhauf (links) und Mitgründerin Katharina Scheidig / © Thomas Bieniek (Urnfold)
Kristina Steinhauf (links) und Mitgründerin Katharina Scheidig / © Thomas Bieniek ( Urnfold )

Kristina Steinhauf (Mitgründerin des Start-ups "urnfold" und Geigenbauerin): Sie sind aus Papier, im Vergleich zu dem, was es sonst so gibt. Meistens sind sie aus Holz oder Keramik, vielleicht aus Naturstoff. Unsere sind aus einem Bogen Papier aus Gmund am Tegernsee, das wird quasi regional und sehr nachhaltig hergestellt. 

Wir haben etwa 20 Faltungen. Diese Urne eignet sich besonders gut, um vielleicht noch etwas mitzugeben, eine letzte Nachricht oder um noch Blumen reinzustecken. Sie sind dafür gedacht, dass Leute noch was damit machen können.

DOMRADIO.DE: Sie sind eigentlich gelernte Geigenbauer und Sie studieren gerade perimortale Wissenschaften am Institut für Katholische Moraltheologie an der Uni Regensburg. Ein Studiengang, der sich ganz zentral mit dem Sterben befasst. Lernt man da so etwas? Oder wie ist die Idee zu "urnfold" entstanden? 

Steinhauf: In meinem Studiengang lernt man eher die Theorie als die Praxis im Handwerk. Meine handwerkliche Ausbildung hilft mir da sehr. Aber entstanden ist das Ganze 2014, als mein Papa gestorben ist. Ich war damals 21 und hatte mich davor noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt. Aber ich fand mich dann beim Bestatter wieder und musste plötzlich eine Urne für meinen Papa aussuchen.

Irgendwie gab es da nichts, was mir und meiner Familie gepasst hat. Ich habe keine Urne gefunden, die zu uns passte. Dann war ich schon etwas verzweifelt und hab den Bestatter gefragt, ob ich selber eine bauen kann, weil ich keine von denen nehmen wollte, die es gab. 

Urnen aus der Mood-Kollekton von "urnfold" / © Katharina Scheidig (Urnfold)
Urnen aus der Mood-Kollekton von "urnfold" / © Katharina Scheidig ( Urnfold )

Da ich Geigenbauerin bin, habe ich meinem Papa selber eine Urne aus Holz gebaut und mir überlegt, welches Holz nehme ich, wie soll sie aussehen. Mein Papa war Theologe und ich habe ihm ein Kreuz rein geschnitzt. 

Kristina Steinhauf

"Ich habe festgestellt, dass es total schön ist, ihm noch etwas persönlich mitgeben zu können und noch etwas aktiv machen zu können, in der Zeit zwischen verstorben und beigesetzt werden."

Ich habe festgestellt, dass es total schön ist, ihm noch etwas persönlich mitgeben zu können und noch etwas aktiv machen zu können, in der Zeit zwischen verstorben und beigesetzt werden. So ist die Idee entstanden. Wir wollten Leuten die Möglichkeit geben, die vielleicht keine handwerkliche Ausbildung haben, eine Grundlage zu haben, mitzugestalten. 

DOMRADIO.DE: Was bekommen Sie mit? Wie werden diese Urnen gestaltet? Was wird damit alles gemacht? 

Steinhauf: Das ist wirklich sehr unterschiedlich. Wir persönlich gestalten nicht für die Angehörigen, wir bieten nur ein bisschen Inspiration. Es gibt Bilder davon wie Leute das gemacht haben. 

Urne "Nirvana" von "urnfold" / © Katharina Scheidig (Urnfold)
Urne "Nirvana" von "urnfold" / © Katharina Scheidig ( Urnfold )

Ganz oft wird die Urne perforiert an den Falten, und es werden noch Blumen mitgegeben oder letzte Nachrichten. Eine Idee neulich fand ich ganz witzig. Eine von unseren Urnen ist eher flächig. Die Dame, die verstorben ist, hat sehr gerne Kreuzworträtsel gemacht. Dann waren auf die ganze Urne Kreuzworträtsel draufgeklebt und gemalt. Man kann sich da wirklich sehr viel einfallen lassen, je nachdem wer die Person war. Da gibt es viele Möglichkeiten. 

DOMRADIO.DE: Sie haben schon mal in einem Interview gesagt, Sie wollen Aufklärungsarbeit leisten. Sie haben eher eine junge Zielgruppe, würde ich sagen. Zumindest haben Sie einen Instagram-Account, der junge Menschen anspricht. Geht es vielleicht auch darum, sich mal anders mit dem Thema Trauerbewältigung auseinanderzusetzen? 

Steinhauf: Auf jeden Fall. Uns geht es nicht darum, Leute darauf hinzuweisen, ihr müsst jetzt eine Patientenverfügung machen, auch wenn das ebenfalls sehr wichtig ist. Uns geht es darum, die Leute darauf hinzuweisen, sich grundsätzlich mit dem Thema zu befassen. 

Kristina Steinhauf

"Das ist die einzige Situation, in der wir uns alle mal wiederfinden werden."

Denn wir kommen alle in diese Situation. Das ist die einzige Situation, in der wir uns sicher alle mal wiederfinden werden. Wenn man sich vorher, zumindest mal grob, Gedanken darüber gemacht hat, was man möchte, was man nicht möchte, tut man sich einfach in der Akutsituation leichter, Entscheidungen zu treffen, die für einen selber in dem Moment richtig sind. 

Klassischerweise hat man keine Lust darauf, sich mit dem Thema zu befassen. Wenn man sich zumindest mit schönen oder vielleicht ansprechenden Produkten, aber auch einer ansprechenden Atmosphäre umgibt, dann hat man vielleicht ein bisschen mehr Lust darauf. Und das versuchen wir. 

Urne "Nirvana" von "urnfold" / © Katharina Scheidig (Urnfold)
Urne "Nirvana" von "urnfold" / © Katharina Scheidig ( Urnfold )

DOMRADIO.DE: Eine Urne aus Papier ist nicht das klassische Material für ein Aschegefäß. Wie kommt das bei den Kunden an? Wie ist die Resonanz da? 

Steinhauf: Ganz viele Leute sagen, wenn sie die Urne zuerst sehen, dass sie sie gar nicht als solche erkennen. Sie sagen, die sieht aus wie ein Lampion. Wenn wir dann erklären, das ist aber eine Urne, geht das Gespräch gleich los. 

Dann höre ich ganz viele Geschichten, wie das war und das es störend ist, dass diese Urne und die Atmosphäre so schwer sind. Dabei war die Person, die gestorben ist, vielleicht sehr lebensfroh. 

Kristina Steinhauf

"Das muss nicht immer ein tragisches Leben gewesen sein, sondern vielleicht will man es auch feiern, dass die Person gelebt hat."

Das muss nicht immer ein tragisches Leben gewesen sein, sondern vielleicht will man es auch feiern, dass die Person gelebt hat. Das Papier und die Art und Weise, wie die Urne aussieht und dass sie so leicht ist, hilft den Leuten vielleicht dabei. 

Das Interview führte Elena Hong. 

Bestattungen in Deutschland

Es gibt zu den Bestattungsarten in Deutschland keine repräsentative Statistiken und Umfragen. Nach vorsichtigen Schätzungen des Bundesverbands Deutscher Bestatter liegt der Anteil von Feuerbestattungen bei etwa 58 Prozent im Jahr. Besonders nachgefragt sind Feuerbestattungen in Nord- und Ostdeutschland, aber auch in den eher katholisch geprägten Regionen nimmt der Trend zur Urne zu. Einzelne Bestatter in Norddeutschland berichten in ihrem Einzugsgebiet von einem Anteil der Feuerbestattung von über 80 Prozent. (DR/dpa)

Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague (shutterstock)
Symbolbild: Schneebedeckter Grabstein auf einem Friedhof / © Adam J Hague ( shutterstock )
Quelle:
DR