US-Evangelikale sehen Trump als politischen Märtyrer

Der verfolgte Retter Amerikas

Die Anklage in New York in der Causa Stormy Daniels hilft Ex-Präsident Donald Trump, seine Unterstützer im evangelikalen Lager zu mobilisieren. Das Gerichtsverfahren könnte für ihn zur Wahlkampfbühne werden.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Donald Trump / © Andrew Harnik (dpa)
Donald Trump / © Andrew Harnik ( dpa )

Franklin Graham spricht von einem Tag, an dem sich Amerika schämen sollte. Nicht für einen Ex-Präsidenten, der auf der Zielgeraden im Wahlkampf 2016 Pornostar Stormy Daniels mit 130.000 Dollar zum Schweigen über eine angebliche Affäre gebracht haben soll.

Den Sohn des Volkspredigers Billy Graham stört vielmehr, dass sich Donald Trump in der Angelegenheit seit diesem Dienstag vor einem Strafgericht in Manhattan verantworten muss. "Die Demokraten haben das Rechtssystem für ihre politischen Zwecke benutzt", so der Evangelikale. "Ich werde dafür beten, dass Gott eingreift und unsere Nation rettet."

Wurzeln der evangelikalen Bewegung

Die evangelikale Bewegung hat ihre Wurzeln im Pietismus und Methodismus sowie in der deutschen Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts, für die etwa Ludwig Hofacker in Württemberg und Johann Hinrich Wichern in Hamburg stehen. Vorläufer der heutigen Organisationsvielfalt im evangelikalen Bereich sind Bibel- und Missionsgesellschaften, die Christlichen Vereine Junger Männer und Frauen sowie die evangelischen Gemeinschaften, die sich 1888 in Gnadau bei Magdeburg zu einer ersten Pfingstkonferenz versammelten. Einen Schub erlebte die evangelikale Bewegung in der zweiten Hälfte des 20.

Symbolbild: Gottesdienst einer evangelikalen Glaubensgemeinschaft / © Paul shuang (shutterstock)
Symbolbild: Gottesdienst einer evangelikalen Glaubensgemeinschaft / © Paul shuang ( shutterstock )

Bitte um Gebete

"Save America", das verspricht auch Trump, der sich als Lichtgestalt und Opfer zugleich inszeniert. Eine Darstellung, die von Anführern der christlichen Rechten bekräftigt wird. Sie identifizieren sich mit dem schillernden Politiker, weil sie sich vom linken, säkularen Amerika genauso verfolgt fühlen.

So sehen Graham und andere Evangelikale bereitwillig über die Causa Stormy Daniels hinweg, deren Hintergründe reichlich dubios sind. Trump streitet weiterhin ab, eine Affäre mit ihr gehabt zu haben. Allerdings räumt er ein, dass Geld geflossen ist. Das allein wäre freilich nicht illegal. Problematisch ist jedoch, dass er mit der Zahlung gegen Vorschriften zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben könnte.

"Ich bitte heute um Gebete für unsere Nation, Präsident Trump und seine Familie", sagt TV-Predigerin Paula White empört, die in seiner Regierungszeit im Weißen Haus für Religionsangelegenheiten zuständig war. Sie vermittelt den Eindruck, als gehe es nicht um die Aufklärung einer möglichen Straftat, sondern um einen politisch motivierten Prozess.

Vergleiche zwischen Trump und Jesus

Eine ähnliche Haltung vertritt der evangelikale Pastor Mark Burns, der mit Blick auf Trump und die Karwoche Assoziationen mit dem Leidensweg Jesu weckt. Ebenso wie dieser werde der zu Unrecht Angeklagte am Ende triumphieren, orakelt Burns in einem Videoclip: "Sie haben einen riesigen Fehler gemacht." Die Anklage werde letztlich für eine Wiederwahl des Ex-Staatsoberhaupts sorgen.

Wissenschaftler Robert Jones vom Public Religion Research Institute wundert es nicht, dass die Evangelikalen Trump zur Seite springen. Die Umfrage-Daten seines Instituts zeigten in dieser Wählergruppe einen nahezu unerschütterlichen Rückhalt. Jones erinnert daran, dass Trump in der Vergangenheit weder offener Sexismus noch seine zahlreichen Affären oder andere moralische Verfehlungen geschadet hätten: "Nichts von alledem hat einen Unterschied gemacht."

Seine Zustimmungsraten bei den Evangelikalen liegen den Angaben zufolge konstant über 70 Prozent. Dabei sei nicht in erster Linie das gesellschaftlich stark polarisierende Abtreibungsthema entscheidend. Viel stärker wirke sich das generelle Gefühl aus, mit Trump einen Kämpfer an der Seite zu haben, der für die Belange von Christen in den USA eintrete.

Versammeln sich die Evangelikalen hinter Trump?

Davon geht auch John Fea aus, der das Buch "Believe Me: The Evangelical Road to Donald Trump" geschrieben hat. Der Professor am Messiah College in Pennsylvania meint, dass sich mit Trump ein Paradigmenwechsel in der Welt der Evangelikalen vollzogen habe. Während es in der Lewinsky-Affäre Bill Clintons noch um Charakterfragen gegangen sei, spielten derlei Aspekte nun keine Rolle mehr. "Wir haben 2016 gelernt, dass Politik viel wichtiger ist", so der Experte.

In New York und Palm Beach spiegelt sich das in den Devotionalien der Trump-Fans wider. Beliebt sind Fahnen und T-Shirts mit der Aufschrift "Jesus Is My Savior, Trump Is My President" (Jesus ist mein Retter, Trump mein Präsident). Während einzelne Persönlichkeiten wie der TV-Prediger Robert Jeffress auf einen anderen Kandidaten gehofft hatten, dürfte die Anklage nach Ansicht vieler Beobachter die evangelikale Basis hinter Trump versammeln.

Quelle:
KNA