Der Schatten Trumps schwebt immer noch über der US-Kirche

"Er wusste genau, welche Narrative er bedienen muss"

Vor sechs Jahren wurde Donald Trump ins Amt des US-Präsidenten eingeführt – mit Folgen für Politik, Gesellschaft und Kirche. Die US-Kirche ist nach wie vor politisch tief gespalten und Trumps Schatten ist bis heute zu spüren.

Donald Trump, 45. Präsident der USA / © Alex Brandon/AP (dpa)
Donald Trump, 45. Präsident der USA / © Alex Brandon/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Olaf Scholz hat das Wort "Zeitenwende" genutzt und wird damit viel zitiert. Er hat das im Kontext des Kriegs in der Ukraine verwendet. Könnte man den Begriff aber genauso auf die Ära Trump anwenden?

Andreas G. Weiß / © Lorenz Masser (privat)
Andreas G. Weiß / © Lorenz Masser ( privat )

Dr. Andreas G. Weiß (Theologe und Religionswissenschaftler, Direktor-Stellvertreter des Katholischen Bildungswerks Salzburg): Ich weiß nicht, ob "Zeitenwende" ein adäquater Begriff dafür ist. Es war aber sicher ein völliger Wandel der politischen Form und des politischen Umgangs, aber auch der politischen Inhalte. Wie etwa mit Religion umgegangen wurde, wie mit Wirtschaft umgegangen wurde, aber auch wie Donald Trump mit internationalen Partnern und Bündnissen umgegangen ist.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal sechs Jahre zurück. Die Wahl hat fast alle überrascht. War das im Nachhinein doch abzusehen. Hat sich diese Spaltung dahinter schon irgendwie angekündigt?

Weiß: Die viel zitierte Spaltung oder besser gesagt die Polarisierung der US-Gesellschaft gibt es ja nicht erst seit Donald Trump. Es ist durch das Zweiparteiensystem bedingt und durch diese großen Lager von Demokraten und Republikanern, die sich gegenüberstehen in den USA. Das baute sich natürlich schon über Jahrzehnte auf. Donald Trump war aber wahrscheinlich 2016 während seines Wahlkampfes zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er hat die Medien und die damalige Stimmung einfach sehr, sehr gut für sich nutzen können. Donald Trump personifiziert, wenn man so will, genau dieses populistische Auftreten. Auch diesen, wenn man so will, günstigen Moment, den Populistinnen und Populisten auch nutzen können, um ihre eigenen Ziele voranzutreiben.

DOMRADIO.DE: Was hat denn die Trump-Wahl und auch seine Kandidatur mit der Kirche in den USA gemacht? Die ist ja im Moment auch tief gespalten.

Kardinal Timothy M. Dolan (l.) neben Donald Trump (Archiv) / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
Kardinal Timothy M. Dolan (l.) neben Donald Trump (Archiv) / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )

Weiß: Also man muss bei Donald Trump immer zwei Ebenen unterscheiden. Das ist seine persönliche Biografie und sein Lebensstil, bei dem man oftmals sagen könnte, er repräsentiert ja gar nicht die christlichen Werte, die in den USA so hochgehalten werden. In seiner Politik wusste Donald Trump aber sehr genau zu unterscheiden. Er wusste ganz genau, welche Narrative er bedienen muss, um bei der konservativen Wählerschaft zu punkten, etwa in der Israel-Politik oder auch in der Abtreibungsfrage. Auch in der Frage nach Homosexualität vertrat Donald Trump die klassischen konservativen republikanischen Standpunkte und konnte so quasi nach außen, obwohl er persönlich das vielleicht gar nicht so repräsentiert, immer wieder die Botschaft, transportiere, er stehe in seiner politischen Ausrichtung für die konservativen, traditionalistischen Ziele ein.

DOMRADIO.DE: Das war ja für Außenstehende total schwer nachzuvollziehen, dass es da wirklich kirchliche Stimmen gibt, die sich hinter einen Präsidenten stellen, der eigentlich ja nicht unbedingt christliche Werte vertritt.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )

Weiß: So ist es. Ich habe auch in der damaligen Zeit sehr viel mit Menschen in den USA gesprochen und ich habe auch diese Frage immer wieder gestellt: Wie kann man denn als vielleicht konservativer Christ oder konservative Christin diesen Menschen wählen? Und ich habe sehr oft die Antwort bekommen: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Mit diesem biblischen Zitat wurde eigentlich mehr oder weniger argumentiert. Auch wenn Donald Trump persönlich vielleicht gar nicht das repräsentiert. Aber seine politischen Früchte sprechen doch dafür, dass er auf der richtigen Seite steht. Das ist ganz spannend. Mit Donald Trump wurde hier, wenn man so will, eine Zäsur eingeführt zwischen seiner Person und seiner politischen Arbeit. Man kann über seine Fehler als Person hinwegsehen, wenn die politische Arbeit passt.

DOMRADIO.DE: Wie wird es weitergehen mit Trumps Einfluss? Er hat ja offiziell bereits angekündigt, bei der nächsten Wahl wieder anzutreten. Auf der anderen Seite gibt es mehrere Ermittlungsverfahren, die gerade gegen ihn laufen. Ist die Ära Trump also doch noch nicht vorbei?

Weiß: Ich würde sagen, die Zeit der politischen direkten Einflussnahme von Donald Trump dürfte vorbei sein. Das ist jetzt meine persönliche Einschätzung und ist wirklich tatsächlich nur Spekulation. Der Schatten Donald Trumps, das Gespenst Trump, wenn man so will, wird die USA aber noch lange begleiten. Also sei es, ob er jetzt aus der medialen Hinterlassenschaft noch in die ersten Reihen schießt oder als Strippenzieher Einfluss nehmen möchte. Oder sei es auch nur als Negativfolie, von denen sich etwa die demokratischen Kandidaten absetzen wollen. Als solches Gespenst wird er noch sehr lange vorhanden bleiben.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR