Mehr als 300 Gottesdienstbesucher quetschen sich zwischen aufgeschossenen Maisstauden auf den paar Holzbänken um einen überdachten Altar. Im ländlichen Lancaster County von Pennsylvania beten sie zusammen mit den rebellischen Schwestern, die eine Überlandleitung für Gas verhindern wollen, die hier einmal verlaufen soll.
Spirituelle Kraft und heiliger Boden
"Das geht gegen alles, an was wir glauben", sagt Linda Fischer einem Reporter, der zu der Protest-Kapelle gepilgert war. Die 74-Jährige wuchs hier auf und hat die Stille der Landschaft schon immer als spirituelle Kraft empfunden.
Das bringt die Gläubigen und die aufmüpfigen Nonnen zusammen. "Das ist heiliger Boden", erklärt Schwester Janet McCann die Motivation der kleinen katholischen Ordensgemeinschaft der "Adorers of the Blood of Christ", auf ihrem Land eine Kirche unter freiem Himmel zu betreiben.
"Angriff auf Religionsfreiheit"
Dass der Energieriese Atlantic Sunrise nun eine Pipeline durch ihr "heiliges Land" bauen will, verstehen die Schwestern als Angriff auf ihre Religionsfreiheit. In ihrem ungleichen Kampf gegen den Konzern stärken Umweltaktivisten aus der Region den Gottesfrauen den Rücken.
Sie haben die Bewegung "Stand with the Sisters" in Stellung gebracht, um die Gas-Pipeline zu verhindern.
Ethik und Prinzip
Es geht ums Prinzip, sagt Mark Clatterbuck von der Bürgerrechtsbewegung "Lancaster gegen die Pipeline". "Die Nonnen haben eine Ethik, die wir schützen werden." Dazu zählt nicht nur die Verteidigung ihrer Religionsfreiheit. "Wir halten auch nachhaltige Energie für sehr wichtig", sagt Schwester Janet.
Doch die Pipeline-Betreiber von Atlantic Sunrise wollen keinen Umweg auf der 183 Meilen langen Strecke quer durch Pennsylvania. Einmal fertig, ist die Röhrenverbindung Teil der 10.500 Meilen langen Pipeline, die vom Golf von Mexiko bis zu den Märkten an der Ostküste verlaufen soll. 1,7 Milliarden Kubikmeter Gas wollen die Betreiber jeden Tag durch die Röhren pumpen.
Unfreiwillige Vereinbarungen
Das Energieunternehmen kann sich auf ein Gesetz stützen, das ihm nach Zustimmung der Regulierungsbehörde das Recht gibt, ihre Pipelines über fremdes Privatland laufen zu lassen. Neben den Ordensschwestern haben rund 30 andere Grundbesitzer bisher keine freiwillige Vereinbarung mit dem Unternehmen getroffen.
Die Nonnen wollen auch gar keine. Sie haben sich einen Anwalt genommen. Vergangene Woche haben sie vor dem Bundesgericht in Reading Beschwerde eingereicht. Ihr Argument im Kampf gegen die Pipeline ist bisher nicht vor Gericht getestet worden: Religionsfreiheit.
Austausch verweigert
Die Verlegung einer Gas-Pipeline quer durch ihr Land verletzte den "Religious Freedom Restoration Act" und der garantiere seit 1993 freie Religionsausübung.
Die Schwestern lehnen es rundweg ab, mit den Pipeline-Betreibern darüber überhaupt nur zu sprechen.
Möglicher Präzedenzfall
Für Dan Dalton könnte die Causa "Nonnen versus Energie-Multi" zum juristischen Präzedenzfall werden. "Es ist eine völlig neue Sache", meint der Jurist und Autor eines Buches über religiös begründete Rechtsstreitigkeiten bei Landnutzungsrechten. "Es gab noch nicht viele vergleichbare Fälle".
Besonders heikel ist die Angelegenheit auch deshalb, weil es bei den paar vorliegenden Urteilen keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Ob die Kapelle der katholischen Nonnen im Maisfeld als geschützte Domäne anerkannt wird, bleibt völlig offen.
"Protest-Kapelle" vor Gericht
Am Montag hörte sich das Gericht in Reading die Argumente der Sunrise Gesellschaft an. Ein Sprecher des Unternehmens sagte, jede Korrektur am Verlauf der Trasse koste rund 800.000 US-Dollar. Allein in Pennsylvania hat es die Gesellschaft mit 1.100 Grundbesitzern zu tun.
Doch keiner wehrt sich so öffentlich und vehement wie die Nonnen aus Lancaster County und ihre Helfer von "Stand with the Sisters". Der Fall könnte noch vor dem Supreme Court landen. Das wird die Protest-Kapelle der Schwestern im Maisfeld erst richtig bekannt machen.