US-Präsident Obama startet zu seiner ersten Reise nach Lateinamerika

Zu Christus ohne Öffentlichkeit

Am Samstag ist Barack Obama zu seiner fünftägigen Lateinamerika-Reise aufgebrochen – und sorgt in Brasilien offenbar bereits für Unmut. Klinkenputzen für die angeschlagene US-Wirtschaft statt ernsthaften Dialogs, öffentliche Ansprache statt intimer Gespräche mit der Präsidentin: Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff soll verärgert sein.

Autor/in:
Thomas Milz
 (DR)

Vorläufiger Höhepunkt der diplomatischen Verwirrungen war Obamas für Sonntag in Rio de Janeiro angekündigte Rede. "Richtungsweisend" solle die "Ansprache an das brasilianische Volk" sein, war aus wohlunterrichteten Kreisen zu vernehmen. Unter massivem Einsatz der "Social Networks" warb die US-Botschaft für eine breite Beteiligung der Bevölkerung. Doch am Freitag wurde der Event abgesagt - aus Sicherheitsgründen angeblich. Nun soll Obama eine Rede im städtischen Theater halten, wo man seine Sicherheit leichter garantieren könne.



Doch in Brasiliens Medien zirkulierten Gerüchte, dass Dilma verärgert über den "Popstar Obama" sei. Sie soll gegen Obamas geplanten Großauftritt in Rio gewesen sein. Schließlich würde Rousseff ja auch keine Rede an das amerikanische Volk auf dem Times Square halten, so der kolportierte Kommentar der Präsidentin. Rätselraten herrscht ohnehin über den Inhalt der Rede. Eventuell könnte Obama Brasilien als gelungenes Beispiel für den Übergang von einer Diktatur zur Demokratie anführen - eine klare Botschaft auch an die arabische Welt. Dass Obama seinen Brasilien-Besuch somit für außenpolitische Interessen in anderen Teilen der Welt ausnutzen könnte, traf bei der brasilianischen Diplomatie nicht gerade auf Enthusiasmus.



Besuch der Christus-Statue

Statt der 100.000 erwarteten Zuhörer soll der US-Präsident nun vor gut 2.000 ausgesuchten Gästen sprechen. Auch der Ausflug der Familie Obama hoch zur Christus-Statue wird ohne die Öffentlichkeit stattfinden. Rein privat sei die Besichtigung; selbst die Medien müssen außen vor bleiben. Zudem will Obama eine Favela besuchen, was bei der brasilianischen Polizei und den US-Sicherheitsbehörden allerdings große organisatorische Kopfschmerzen verursacht.



Allgemein scheint Dilma nicht sehr glücklich mit dem zweitägigen Besuch zu sein. Sie hatte sich Gespräche über Brasiliens Rolle in der welt gewünscht, gekrönt von Obamas offener Unterstützung für einen ständigen Sitz Brasiliens im Weltsicherheitsrat. Stattdessen will der US-Präsident seine Lateinamerika-Reise, die auch nach Chile und El Salvador führt, für den Abschluss guter Geschäfte für US-Firmen nutzen.



Am Samstag sollen etwa Wirtschaftsdelegationen in Brasilia zusammentreffen. Dabei wird Obama massiv für den Verkauf von F18-Kampfjets an Brasiliens Luftwaffe werben. Diese hatte eigentlich vor, die geplante, Milliarden Dollar schwere Modernisierung mit französischen Rafale-Flugzeugen vorzunehmen. Zudem wünscht sich Obama eine stärkere Beteiligung von US-Firmen an der anlaufenden Hochseeförderung von Brasiliens Ölvorkommen. Über Handelsblockaden gegenüber brasilianischen Produkten durch die USA will der Präsident derweil jedoch lieber schweigen, genauso wie über Erleichterungen bei der Visa-Vergabe an brasilianische Staatsbürger.



Ein Beispiel: das brasilianische Ethanol. So erheben die USA hohe Importzölle auf den "grünen Treibstoff", um die eigene, wesentlich teurere Ethanolproduktion zu schützen. Gleichzeitig will die US-Wirtschaft verstärkt in Brasiliens Produktion investieren. Wenn es ums Verkaufen gehe, wünschten sich die USA mehr Flexibilität von ihren Handelspartnern, während sie gleichzeitig den eigenen Markt mit Handelsbarrieren schützen, klagt Brasiliens Presse.



Andere Hoffnungen

Brasilien hatte sich erhofft, die unter Dilmas Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva deutlich abgekühlten Beziehungen zu den USA wieder beleben zu können. Dieser hatte aus seiner Sympathie für Länder wie Venezuela, Kuba und Iran keinen Hehl gemacht und damit Washington verärgert.



Dilma hingegen schickte kurz nach Amtsantritt im Januar deutliche Signale: Öffentlich kritisierte sie die Menschenrechtslage im Iran und hält zudem auffällig Distanz zu Hugo Chavez" Venezuela und den Castro-Brüdern auf Kuba. Dass Obama zudem der neuen Präsidentin derart schnell einen Antrittsbesuch abstattet, wurde im Vorfeld als Zeichen für einen neuen Frühling in den bilateralen Beziehungen gesehen - und als diplomatische Offensive Washingtons, um Brasilien als Partner Nummer 1 in Lateinamerika zu gewinnen.



Umso größer ist nun in Brasilia die Ernüchterung. Als am Donnerstag Gerüchte die Runde machten, Obama wolle das von Rousseff in Brasilia organisierte gemeinsame Mittagessen absagen, um früher nach Rio weiterzureisen, drohte der diplomatische Super-GAU. Doch anders als Obamas Besuchsprogramm am Sonntag scheint das Mittagessen mit Dilma nun gesichert. Die Diplomaten beider Länder werden erleichtert aufgeatmet haben.