Die Rufe der Kinder klingen nach purer Verzweiflung. Sie schreien nach "Mama" und "Papa", die einzigen Worte, die die Kleinsten von ihnen sagen können. Unter das Schreien und Schluchzen der Kinder mischt sich die Stimme eines US-Grenzers. "Wir haben ein Orchester hier", witzelt der Beamte über die Not der kürzlich von ihren Eltern getrennten Kinder. "Es fehlt nur noch ein Dirigent".
Die von "Pro Publica" verbreitete Tonaufnahme stammt aus einem der Lager an der Grenze zu Mexiko, in denen ein großer Teil der 2.300 seit April von ihren Eltern getrennten Kinder festgehalten werden. Die Quelle hält die angesehene Medien-Organisation zum Schutz der Informanten geheim.
Foto als mahnendes Symbol
Das visuelle Gegenstück zu den unter die Haut gehenden Tondokumenten ist das Foto eines honduranischen Mädchens, das sich die Augen aus dem Kopf weint, während ihre Mutter von Grenzern durchsucht wird. Die beiden waren nach dem Durchqueren des Rio Grande in einem Schlauchboot von US-Grenzschützern aufgegriffen worden.
"Diese Situation veranschaulicht, was Trennungsangst bedeutet", beschreibt Getty-Fotograf John Moore den Moment, der ihn seitdem nicht mehr loslässt. Binnen weniger Minuten geriet das Bild des weinenden Mädchens in den Sozialen Medien zum Symbol der "Null-Toleranz"-Kritik Trumps an der Grenze zu Mexiko.
Mauer als Lösung?
Auf der mehrfach verschobenen Pressekonferenz im Weißen Haus wollte sich Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen am Montag nicht direkt zu den Zeitzeugnissen äußern. Sie verteidigte die Familientrennung als angemessenes Mittel, Recht und Ordnung an der Grenze aufrecht zu erhalten. Personen, die ohne Papiere in die USA kämen, seien Kriminelle.
Das hatte am selben Tag auch Justizminister Jeff Sessions bei einer Konferenz der "National Sheriffs Association" betont. Es dürfe keine Ausnahmen für illegale Einwandererfamilien geben. "Wenn wir eine Mauer bauen und Gesetze beschließen, die die Gesetzlosigkeit beenden, bleiben uns so schreckliche Entscheidungen erspart", kommentierte er die Trennung von Kindern und Eltern.
Trump macht Demokraten verantwortlich
US-Präsident Donald Trump wiederholte die falsche Behauptung, die oppositionellen Demokraten seien für die Zwangstrennung der Familien verantwortlich. Anders als Trump sagt, gibt es auch kein Gesetz, das ein solches Vorgehen verlangt. Vielmehr führte seine Regierung diese Praxis selber ein. Justizminister Sessions verkündete sie am 7. Mai.
Als warnendes Beispiel verwies Trump auf Deutschland. "Wir wollen nicht, dass uns das passiert, was mit der Immigration in Europa passiert ist." Die Einwanderung habe dort einen massiven Anstieg der Kriminalität gebracht. Tatsächlich gingen die Straftaten in Deutschland 2017 laut Statistik um fast zehn Prozent auf den niedrigsten Stand seit 1993 zurück Darauf angesprochen sagte Trump-Sprecherin Sarah Sanders, sie sei mit den deutschen Zahlen nicht vertraut. "Das muss ich nachsehen".
"Null-Toleranz-Politik ist brutal"
Scharfe Kritik an der Familientrennung äußerten am Montag zwei ehemalige First Ladies. Laura Bush bezeichnete Trumps "Null-Toleranz"-Politik in einem Meinungsbeitrag der "Washington Post" als "grausam" und "unmoralisch". "Ich erkenne an, dass es nötig ist, unsere internationalen Grenzen zu sichern und zu schützen, aber diese Null-Toleranz-Politik ist brutal."
Ihre Vorgängerin Hillary Clinton nannte es "eine glatte Lüge", zu behaupten, die Trennung von Kindern und Eltern sei ein Gesetz, das unter der Regierung Barack Obamas verabschiedet worden sei. Hart ins Gericht ging Clinton mit der biblischen Rechtfertigung der Praxis an der Grenze. "Diejenigen, die selektiv die Bibel benutzen, um diese Grausamkeit zu rechtfertigen, ignorieren einen zentralen Grundsatz des Christentums", so Clinton. Jesus habe nicht gesagt: Lasst die Kinder leiden.
Der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden twitterte ein Bild des NS-Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau versehen mit der Anmerkung: "Andere Regierungen haben Mütter von ihren Kindern getrennt." Hayden rechtfertigte auf CNN den Vergleich mit dem Hinweis auf einen Verfall der moralischen Standards in der öffentlichen Debatte der USA.