Ron DeSantis zitiert bei seinen Auftritten neuerdings aus der Bibel. Wie im Februar, als der Hoffnungsträger der Republikaner am christlichen Hillsdale College in Michigan eine Passage aus dem Brief an die Epheser nutzte. "Legt die volle Rüstung Gottes an": Mit diesen Worten forderte der Gouverneur aus Florida seine Zuhörer auf, sich gegen die "Intrigen des Teufels" zu wappnen.
"Ich denke, DeSantis spielt bestenfalls mit dem Feuer", sagt Baptisten-Prediger Brian Kaylor, der sich mit der Wechselwirkung zwischen Religion und Politik befasst. Vielleicht habe DeSantis seine Kampfaufforderung nicht wörtlich gemeint - aber seine Wortwahl sei im aktuellen politischen Umfeld brandgefährlich. Laut einer kürzlich erfolgten Umfrage von YouGov und "The Economist" halten mehr als 40 Prozent der US-Amerikaner einen Bürgerkrieg in den kommenden zehn Jahren für möglich. Unter Republikanern liegt die Quote noch höher.
In Trumps Fußstapfen treten
Weißer und christlicher Nationalismus hat sich für viele in der von Donald Trump neu orientierten Partei zu einer politischen Identität entwickelt. DeSantis, der sich darauf vorbereitet, in die Fußstapfen des Ex-Präsidenten zu treten, zählt zu den aggressivsten unter ihnen.
In seinen Reden hat er "die Linke" mit dem "Teufel" ersetzt. Das Zitat der "vollen Rüstung Gottes" sei populär bei der christlichen Rechten, so der Soziologe an der Yale University, Philip Gorski. Der Co-Autor von "The Flag and the Cross", das im Sommer erschien, sieht im weißen Nationalismus, unterlegt mit christlicher Rhetorik, eine ernste Bedrohung der amerikanischen Demokratie. Gorski und Mitautor Samuel L. Perry halten beim Kampf um die nicht näher definierten "christlichen Werte" auch Gewalt für möglich: Denn weiße US-Christen fürchteten um ihre Vormachtstellung in "God's own Country".
Der ehemalige Sicherheitsberater im Weißen Haus, Michael Flynn, gehört wie DeSantis zu den Speerspitzen im Lager der christlichen Nationalisten. Während er seinen Posten schon nach wenigen Wochen mit Schimpf und Schande aufgeben musste, feiert die Basis der Republikaner den 63 Jahre alten Drei-Sterne-General wie einen Helden.
Er wirbt dafür, das Christentum ins Zentrum des öffentlichen Lebens und des Staates zu stellen. Als ihn der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 befragte, verweigerte er die Aussage dazu, ob er Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele rechtfertige. Bei den Vorfällen, die international für Entsetzen sorgten, waren die Symbole weißer und christlicher Nationalisten prominent zu sehen gewesen.
Historikerin hält Flynn für gefährliche Figur
Die Historikerin und Expertin für Faschismus, Ruth Ben-Ghiat, hält Flynn für eine gefährliche Figur. Er stehe "an der Spitze des Angriffs auf unsere Demokratie". Wie auch die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene aus dem Südstaat Georgia, die bei ihren Auftritten die US-Verfassung ignoriert, die ausdrücklich keine Religion bevorzugt: "Ich bin Christin, und ich sage es mit Stolz, wir sollten christliche Nationalisten sein."
US-Politologen sehen den Zulauf zu jenen, die an eine religiöse Ausnahmestellung Amerikas glauben, deutlich steigen. Diese Gruppe habe sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, so das Autoren-Trio Allyson F. Shortle, Eric L. McDaniel und Irfan Nooruddin in ihrem Buch "The Everyday Crusade: Christian Nationalism in American Politics".
Der katholisch erzogene DeSantis sprach kürzlich bei der "National Conservatism Conference" darüber, "wie ich aufgehört habe, mich zu sorgen, und den christlichen Nationalismus lieben lernte". Er tue das in einer "sehr effektiven Weise", betont Autorin Shortle, Politologin an der Universität von Oklahoma.
Kampf zwischen "Gut" und "Böse"
Politische Unterstützung für christliche Werte habe es schon immer gegeben, so Marilyn Mayo vom Zentrum für Extremismus der Anti-Defamation-League. Neu sei, dass die christliche Rechte diese zu einem Kampf zwischen "Gut" und "Böse" stilisiere, bei dem "Linke, Progressive" und auch LGBTQ, also homo-, bi-, trans- und intersexuelle Menschen, "auf der anderen Seite stehen". Als "schlechte Kräfte", die besiegt werden müssten.
In Florida untermauert DeSantis seine Rhetorik mit konkreter Politik.
Er unterzeichnete ein Gesetz, das es Lehrern verbietet, mit Kindern über die sexuelle Orientierung zu sprechen. Er suspendierte einen Staatsanwalt in Tampa, der sich weigerte, an Abtreibungen Beteiligte zu verfolgen. Und er verbot die staatliche Finanzierung medizinischer Behandlungen zur Geschlechtsumwandlung.
Warum ihn Kritik kaltlässt, verriet DeSantis in seiner "Full-Armor-of-God"-Rede: "Sie werden flammende Pfeile auf sich ziehen, aber sie werden das Schild des Glaubens tragen." In Florida habe er das schon erlebt. "Und ich kann Ihnen versprechen, wir haben gerade erst angefangen zu kämpfen."