Vorstoß zu nationalem Abtreibungsverbot spaltet Republikaner

Uneinigkeit statt gemeinsamer Linie

Der republikanische US-Senator Lindsey Graham aus South Carolina wollte die Republikaner mit seinem Vorstoß für ein nationales Abtreibungsverbot einen. Stattdessen wünschen sich nun viele, er hätte geschwiegen.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley (dpa)
Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley ( dpa )

Der Gesetzentwurf lag der Öffentlichkeit noch keine 24 Stunden vor, da hatte er sich schon erledigt. Nicht mal der Minderheitsführer der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, sprang seinem alten Freund zur Seite. Ein landesweit gültiges Abtreibungsverbot ab der 15. Schwangerschaftswoche mit Ausnahmen bei Lebensgefahr für die Mutter, Vergewaltigung oder Inzest ist das letzte, worüber er im Wahlkampf vor den Zwischenwahlen am 8. November sprechen möchte.

US-Senator Lindsey Graham / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
US-Senator Lindsey Graham / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )

Verweis auf die Bundesstaaten

"Ich denke, die Mitglieder meiner Fraktion sehen es lieber, wenn das auf der Ebene der Bundesstaaten behandelt wird", wiegelte er ab. Selbst dort ist das Thema schwierig, seit das Oberste Gericht im Juni ein halbes Jahrhundert Rechtsprechung über den Haufen geworfen hatte. Der Supreme Court hatte entschieden, dass aus der Verfassung kein "Grundrecht auf Abtreibung" abgeleitet werden kann - und damit das Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" von 1973 aufgehoben. Die Zuständigkeit für die Abtreibungsgesetze liegt seither wieder bei den Bundesstaaten.

In der Folge entstand ein rechtlicher Flickenteppich aus sehr unterschiedlichen Regeln in den verschiedenen Staaten. Sie reichen von einem Abtreibungsverbot ab der Empfängnis über diverse Fristenlösungen in republikanisch regierten Staaten bis hin zu einem in der Verfassung abgesicherten Anspruch auf Zugang zu straffreien Schwangerschaftsabbrüchen in demokratischen Bundesstaaten.

"Abtreibung ist ein strittiges Thema"

Erst am Dienstag beschloss West Virginia ein fast vollständiges Abtreibungsverbot. Ausnahmen gibt es bei medizinischer Indikation sowie Vergewaltigung und Inzest, vorausgesetzt die Opfer haben Anzeige erstattet.

Während die Demokraten seit dem Urteil des Supreme Court für eine Mehrheit bei den Midterms streiten, um den Zugang zu straffreier Abtreibung per Gesetz im US-Kongress zu sichern, sind sich die Republikaner uneins. "Abtreibung ist ein strittiges Thema", räumte Graham bei der Vorstellung seines Gesetzentwurfs ein, der seine Partei auf eine gemeinsame Linie einschwören sollte.

Die Idee des Senators besteht darin, mit der 15-Wochen-Frist eine Art Minimalschutz für das ungeborene Leben auf nationaler Ebene zu schaffen. Die Staaten könnten darüber hinaus striktere Gesetze erlassen. Mit Blick auf die breitere Wählerschaft verkauft Graham sein Gesetz als Verbot von "Spätabtreibungen".

Demokraten empört

Demokratische Kandidaten für Senat, Repräsentantenhaus und Gouverneursämter in den Bundesstaaten zeigten sich empört. Speakerin Nancy Pelosi nannte den Entwurf "das letzte, deutlichste Signal der Bereitschaft extremer MAGA-Republikaner ["Make America Great Again"; d. Red.], die freien Gesundheitsentscheidungen von Frauen in allen 50 Staaten zu kriminalisieren".

 (dpa)

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, der Vorstoß Grahams sei "jenseits all dessen, wovon Amerikaner überzeugt sind". Umfragen zeigen, dass Abtreibung mit dem Thema Inflation als wichtigstes Anliegen der Wähler bei den Zwischenwahlen am 8. November konkurriert.

"Desaster" – aus verschiedenen Perspektiven

Auch der republikanische Stratege John Thomas bezeichnete den Vorstoß in der "New York Times" als "absolutes Desaster" für die Wahlkampagnen republikanischer Kandidaten. Diese hatten nach der deutlichen Niederlage der Befürworter eines Abtreibungsverbots im konservativen Kansas eher versucht, ihre Positionen abzumildern. Erklärungen zum Thema Abtreibung verschwanden von Internetseiten und aus Wahlkampfmaterial.

Eine solche Kurskorrektur sei vernünftig, aber schwierig, so Thomas. Es sei "schwer zu sagen, ob die Wähler das abkauften". Erst recht, nachdem die Kandidaten nun bei jeder Gelegenheit darauf angesprochen werden, wie sie zu dem von Graham vorgeschlagenen nationalen Abtreibungsverbot stehen. Der frühere Vizepräsident Mike Pence gehört zu den wenigen Republikanern, die den Vorstoß öffentlich unterstützen. Es gehe dabei um Dinge, "die sehr viel tiefer reichen als kurzfristige Politik-Erfolge", sagte er dem Portal "Real Clear Politics".

Diese Sicht teilt die Chefin der Organisation "Susan B. Anthony Pro-Life America", Marjorie Dannenfelser. Auch sie gebraucht das Wort "Desaster". Aber aus anderen Gründen. Statt vor Grahams Vorschlag davonzulaufen, sollten die Republikaner zu ihren Überzeugungen stehen. Doch das Problem der republikanischen Kandidaten ist, dass mehr als die Hälfte der US-Amerikaner Umfragen zufolge gegen ein Abtreibungsverbot nach der 15. Woche sind. Zudem geben 41 Prozent der Wähler an, dass das Urteil des Supreme Court sie motiviere, die Demokraten zu wählen; 24 Prozent fühlen sich dadurch zur Wahl der Republikaner aufgerufen.

Oberstes US-Gericht öffnet Weg für Abtreibungsverbote

Das oberste Gericht der USA ermöglichte den Bundesstaaten mit einem Urteil von Juni 2022 ein Verbot von Abtreibungen. Die Richter in Washington hoben das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" auf, das im Jahr 1973 Abtreibungen zur Privatsache erklärte. Bisher hatte das Gericht demnach Abbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche für rechtmäßig erklärt.

Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )
Quelle:
KNA